Berlin lässt EU warten

Brüssel bezweifelt korrekte Ausschreibung zum Bau des Kölner Müllofens. Bundesregierung antwortet nicht

KÖLN taz ■ Die Bundesregierung verzögert ihre Stellungnahme zum Kölner Müllskandal. Ursprünglich hatte die EU-Kommission bis Ende Januar mit einer Erklärung der Bundesregierung zur Auftragsvergabe beim Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage und bei der Privatisierung der Kölner Müllabfuhr gerechnet. Diese Frist hat die Regierung von Gerhard Schröder (SPD) aber verstreichen lassen. Nach Angaben eines EU-Sprechers wurde sie deshalb bis Ende April verlängert. Sollte eine Antwort auf die Vorwürfe der Europäischen Kommission nicht erfolgen oder sollte sie nicht zufrieden stellend ausfallen, könnten der Bundesrepublik im schlimmsten Fall eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und Strafzahlungen drohen.

Die Europäische Kommission hatte im Herbst letzten Jahres ein Verfahren gegen die deutsche Regierung eingeleitet. In einem „Mahnschreiben“ prangerte sie gleich mehrere Verstöße gegen das Vergaberecht der Gemeinschaft an. Die Kommissare folgte in ihren Anschuldigungen gegen die Bundesrepublik in weiten Teilen der Argumentation der Kölner Bürgerinitiative „Wohnen und Umwelt im Kölner Norden“, die das Verfahren mit ihren Beschwerden in Gang gesetzt hatte: Weil die Kölner Müllgeschäfte nicht europaweit ausgeschrieben wurden, soll „gegen die Prinzipien der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit und insbesondere gegen das von ihnen umfasste Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgebot“ verstoßen worden sein.

Wegen Bestechungszahlungen im Zusammenhang mit dem Bau der Müllverbrennungsanlage stehen zur Zeit noch die beiden ehemaligen Manager Sigfrid Michelfelder und Ulrich Eisermann sowie der ehemalige SPD-Politiker Norbert Rüther vor dem Kölner Landgericht. Am heutigen Mittwoch soll über ihre Verstrickung weiter verhandelt werden. Experten des städtischen Rechnungsprüfungsamtes sollen Auskunft über Hintergründe des Vergabe-Verfahrens geben. Nach Ostern soll dann über Akten gesprochen werden, die die Staatsanwaltschaft überraschend nachgereicht hatte.

Gegen den früheren Entsorgungs-König Hellmut Trienekens sowie den Berater und ehemaligen SPD-Bundespolitiker Karl Wienand wurde zwar schon Anklage erhoben – die Prozesse sind aber noch nicht eröffnet worden, weil beide wegen Krankheit nicht verhandlungsfähig sind. Frank Überall