Stadt setzt Straßenbau mit Gewalt durch

Bei „Nacht und Nebel“ und unter großem Polizeieinsatz wurden am Zollstocker Bischofsweg Bäume gerodet. Proteste von Anwohnern waren vergeblich. Die Polizei nahm einen Mann vorübergehend fest, ein anderer wurde gewaltsam festgehalten

Von Susanne Gannott

Für die meisten Naturschützer war es wohl zu früh am Tag. Jedenfalls waren nur etwa 15 Demonstranten vor Ort, als gestern Morgen um 6 Uhr mehr als 150 Polizisten am Bischofsweg in Köln-Zollstock anrückten – zum „Schutz“ der Baufirma, die die Bäume am Straßenrand fällen und den Bischofsweg zur Durchgangsstraße ausbauen soll.

Seit mehr als zehn Tagen versucht die „Interessengemeinschaft Raderberger Brache“, den Beginn der Bauarbeiten mit Öffentlichkeitsarbeit, Mahnwachen und einem Infostand zu verhindern (taz berichtete). Noch am Montag waren rund 60 Anwohner und Naturfreunde in der Brache zusammengekommen, um die Bäume zu bewachen. Als dann gestern gegen sieben Uhr endlich weitere Aktivisten am „Tatort“ eintrudelten, war das meiste schon passiert: Bäume und Büsche lagen „umgenietet“ da, das Indianerzelt der Bürgerinitiative war abgerissen, ebenso die Hütte eines Obdachlosen, der seit Jahr und Tag auf dem Gelände kampierte.

Ganz reibungslos ist die Polizeiaktion allerdings nicht verlaufen. So wurde der Anwohner Gerd Timmister offenbar massiv von mehreren Polizisten angegangen – obwohl er sich nur nach den Bauarbeiten erkundigen wollte, wie er gegenüber der taz erklärt. Er sei um etwa 6 Uhr 30, vom Baggerlärm aufgeschreckt, hinunter gegangen und habe mit einem der Arbeiter reden wollen. Dieser habe jedoch gleich „Polizei, Polizei“ gerufen. Darauf seien neun Beamte gekommen, die ihn „ohne mit mir zu reden“ direkt angegriffen, am Hals gewürgt, festgehalten und zu Boden geworfen hätten. Seine wiederholten Erklärungsversuche, dass er hier wohne, seien nicht beachtet worden. Stattdessen „haben sie versucht, mich einzuschüchtern, und mit Verhaftung gedroht, wenn ich nicht sofort verschwinde“.

Der Mann habe einen Kollegen „mit dem Knie in die Weichteile getreten“ und sei deshalb festgehalten worden, sagt dagegen der Einsatzleiter der Polizei, Thomas Sanders. Das freilich bestreitet Timmister, der für seine Version drei Zeugen von der gegenüber liegenden Firma Farbo haben will. Einer der Drei habe ihm bereits versprochen, dass sie vor Gericht für ihn aussagen würden. „Ich werde mir das nicht gefallen lassen und erwäge rechtliche Schritte“, sagt der Postbankmitarbeiter.

Auch für einen anderen „Zwischenfall“ am frühen Montag Morgen gibt es verschiedene Darstellungen. So wurde ein Mann in Gewahrsam genommen, weil er den Platzverweis nicht befolgt und dann „Widerstand geleistet“ habe, sagt der Einsatzleiter. Laut Ottmar Lattorf, dem Sprecher der Initiative, hat dagegen eine Freundin beobachtet, wie einige Beamte den Mann plötzlich zu Boden geworfen hätten „ohne dass er etwas gemacht hat“. Auch Marc Mahn, ein anderer Naturschützer, kann sich nicht vorstellen, dass sein Bekannter „um sich schlagen“ würde, wie es ihm ein Polizeibeamter geschildert habe.

Darüber hinaus können weder Lattorf noch Mahn verstehen, warum eigentlich die Polizei das Tipi abgerissen hat, zu dessen „Bewachung“ der Verhaftete die ganze Nacht abgestellt war. „Das war sogar eine Auflage der Stadt“, bei der man die Aufstellung des Zelts ordnungsgemäß angemeldet habe, sagt Lattorf. Von dieser Genehmigung weiß auch der Einsatzleiter. Das Tipi habe jedoch den Bauarbeiten im Wege gestanden, begründet dieser den Abriss. Die Initiative könne es ja jetzt wieder daneben aufbauen, versucht er die Wogen im Gespräch mit Lattorf zu glätten.

Überhaupt zeigte Sanders am Dienstag Mittag, als der Einsatz so gut wie abgeschlossen war, im Gespräch mit den Naturschützern viel Verständnis für ihr Anliegen. Dennoch wies er Lattorfs Vorwurf zurück, wonach das massive Polizeiaufgebot überdimensioniert gewesen sei, zumal er und seine Interessengemeinschaft bislang immer „gut mit den Behörden zusammengearbeitet haben“. Das möge ja sein, erwiderte der Beamte, aber seiner Erfahrung nach gebe es immer „ein paar Leute“, die solche Aktionen „für andere Zwecke missbrauchen“. Mit solchen Menschen hätte man nichts zu tun, empörte sich Lattorf. „Wir stehen in der Tradition von Gandhi und dem gewaltlosen Widerstand“.