Bahn schickt Kunden aufs falsche Gleis

Wer sein Bahnticket am Schalter kauft, ist schlecht beraten. Jede dritte empfohlene Strecke ist nach einem Test des VCD zu teuer, zu langsam oder zu umständlich. Spartickets sind oft ausverkauft. Dafür ist die Bahn aber pünktlicher geworden

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Die von Bahnchef Hartmut Mehdorn im letzten Jahr angekündigte Qualitätsoffensive ist gescheitert. Zwar sind nur noch neun Prozent aller Züge verspätet, doch jeder dritte Kunde wird in den Reisezentren schlecht beraten. Er hätte billiger, schneller und mit weniger Umsteigen ans Ziel kommen können. Das ist das Ergebnis des Bahn-Tests 2004 von Verkehrsclub Deutschland (VCD) und dem Stern.

In ihrem Auftrag ließen sich verdeckte Testkäufer des Hamburger Forschungsinstituts Quotas in 140 Reisezentren der Deutschen Bahn beraten. Sie fragten 250 Bahnreisen ab – als Familie und Single, mit und ohne Bahncard. Dann verglichen sie diese mit Verbindungen, die sie selbst als optimal bewerteten. Für die Tester sind das solche, bei denen pro Umstieg vier Euro und pro Stunde längerer Fahrtzeit zwölf Euro gespart werden. Also etwa: im Intercity mit Umsteigen statt im ICE. „Aufwand soll sich rechnen“, erklärte Thomas Krautscheid von Quotas.

Es geht um viel Geld, wie ein Beispiel zeigt: Drei Freundinnen ohne Bahncard wollten von Husum in Schleswig-Holstein nach Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern fahren. Sie buchten drei Tage im Voraus und hofften auf einen Sparpreis. Der war laut Bahn aber ausverkauft. Deshalb erhielten sie eine Verbindung, bei der Hin- und Rückfahrt für alle drei 157,60 Euro kostet und sechs Stunden und 40 Minuten dauert. Nur eine halbe Stunde früher hätte es aber eine Fahrt mit Sparpreis gegeben. Die hätte 14 Minuten länger gedauert und einmal mehr Umsteigen bedeutet, wäre aber 78,80 Euro billiger gewesen.

Schlechte Auskunft ist kein Einzelfall. „Die Mystery-Shopper“, sagt VCD-Geschäftsführer René Waßmer, „wurden in 30 Prozent aller Fälle schlecht beraten.“ Im Schnitt hätten sie 15 Euro zu viel zahlen sollen, und die Reise wäre 80 Minuten zu lang gewesen. Waßmer: „Seit dem letzten Jahr hat sich wenig getan.“ Vor acht Monaten hatte die Bahn versprochen, sich zu bewegen. Die Kunden waren ihr weggelaufen, weil sie das im Dezember 2002 eingeführte Preissystem der Bahn zu kompliziert fanden. Konzernchef Hartmut Mehdorn lenkte ein. Er reaktivierte die Bahncard 50, senkte Stornogebühren und vereinfachte die Rabatte. Im letzten Jahr waren die verbilligten Plätze zumeist verfügbar. Mittlerweile ist das anders. „Bei jedem fünften Testkauf waren sie schon weg“, erläutert Heidi Tischmann, die Bahnexpertin des VCD. Die Spartickets, bei denen Frühbucher 25 und 50 Prozent weniger zahlen, gibt es je nach Zug begrenzt. Tischmann vermutet, dass die Bahn die Kontingente drosselt.

Die Bahn sprach von einem „Ansporn, noch besser zu werden“. Tischmann forderte eine „Serviceoffensive“. Schalter dürften nicht geschlossen werden. Dort würden noch immer zwei Drittel aller Tickets verkauft. Außerdem sei es falsch, Beratung teurer zu machen. Seit dem 1. April können Plätze im Internet und am Automaten kostenlos reserviert werden. Am Schalter kostet das dafür 3 statt bisher 2,60 Euro.