Niemals mehr Genozid. Aber wie?

Militärisch will die UNO aus den Fehlern von 1994 gelernt haben und Zivilbevölkerungen besser schützen. Nun wünscht sie sich einen „Marshall-Plan“ für die Region um Ruanda

BERLIN taz ■ „Ein Völkermord ist kein Krieg“, erklärt Greg Stanton, Leiter von Genocide Watch, einem Netzwerk zur Frühwarnung bei erneuten Völkermordvorbereitungen. „Ein Völkermord ist einseitiger Massenmord. Konfliktverhütung ist nicht Völkermordprävention. Ein Völkermord kann nur dann verhindert werden, wenn die verantwortliche Regierung mit Gewalt zurückgehalten oder gestürzt wird.“

Auf dem Ruanda-Forum des internationalen Netzwerks „Never Again“ in London Ende März legte der US-Amerikaner damit den Finger auf den heikelsten Punkt der Debatte, wie man eine Wiederholung eines Genozids wie in Ruanda verhindern kann: Es geht um die nationale Souveränität – auch dann, wenn Staaten die eigenen Bürger umbringen. In Ruanda 1994 standen UN-Blauhelme – sie durften auf höhere Anweisung nicht eingreifen. Nationale Eingreiftruppen aus Frankreich und Belgien retteten lediglich Ausländer – Ruander waren Sache Ruandas.

Inzwischen ist der Schutz der Zivilbevölkerung integraler Bestandteil des UN-Peacekeeping. Und das schnelle, robuste Eingreifen durch multinationale Truppen ist jetzt gerade in Afrika zur Normalität geworden.

Was militärische Kapazitäten zum Eingreifen angeht, ist die Welt seit 1994 zweifellos weiter. In der politischen Praxis allerdings hat sich in der internationalen Diplomatie wenig geändert: Konfliktparteien werden zum Friedensschluss angehalten, die Umsetzung eines Friedensprozesses ist das Barometer des Fortschrittes – unabhängig davon, wie die Konfliktparteien tatsächlich mit der Bevölkerung umgehen.

Dies ist besonders problematisch im Afrika der Großen Seen, das bis heute unter den Folgen des ruandischen Völkermordes leidet: ruandische Massenflucht nach Kongo, Eingreifen Ruandas und anderer Länder, gigantische Kriege mit Millionen Toten. Immerhin bereitet die UNO jetzt eine Friedenskonferenz für das Afrika der Großen Seen vor, die im November in Tansania stattfinden und einen Rahmen für regionale Konfliktbewältigung zwischen Ruanda, Burundi, dem Kongo und anderen Ländern erarbeiten soll.

Ibrahima Fall, UN-Sonderbeauftragter für die Region der Großen Seen, betont als eine der Lektionen der UNO aus Ruandas Völkermord, dass die Konflikte der Region und auch die Bevölkerungen der verschiedenen Länder eng zusammenhängen. Nur grenzüberschreitend könne man die Diskriminierungen überwinden, die an der Wurzel von Völkermordideologien stehen.

„Wenn wir die Region der Großen Seen nicht stabilisieren, wird ganz Afrika destabilisiert“, sagt Fall und wünscht sich „eine Art Marshall-Plan“. Das bedeutet allerdings massives internationales Engagement – auch finanziell. DOMINIC JOHNSON