Viertel gegen Schlachte

Eine Umfrage unter ViertelbewohnerInnen beweist: Kaum jemand will den Neubau des Sielwallanlegers. Die Angst: Mit dem Schlachte-Schick geht der Charme der Fähre verloren

taz ■ Von den Plänen, den Fähranleger am Osterdeich zu modernisieren, hält Hiltrud Bremer gar nichts. Für sie gehört die Sielwall-Fähre mit ihrem Charme von anno dunnemals einfach zum Viertel dazu – genauso wie das Kopfsteinpflaster auf dem Ostertorsteinweg. Hiltrud Bremer wohnt im Viertel, hat aber ihren Kleingarten auf der anderen Weserseite in der Nähe vom Café Sand. Seit Jahren fährt sie mit der kleinen Fähre hin und her – sie mag sie, wie sie ist.

Doch ab Oktober soll dort alles anders werden: Bis dahin wird der Anleger umgebaut – ganz im Schlachte-Stil mit edlem Pflaster, Bänken und Laternen. Der Parzellenbesitzerin Bremer behagt das gar nicht: „Die Sielwallfähre hatte immer ein besonderes Flair. Wenn das hier jetzt auch hochmodern wird, ist das nicht mehr meine Fähre.“ Ihr reicht das aufgemotzte Ambiente an der Schlachte. „Es muss doch nicht überall in Bremen so aussehen.“

Dieser Meinung ist auch Nora Landowicz. Die Viertelbewohnerin hält die Baumaßnahmen für „völlig unnötig“. Sie glaubt, dass die Stadt sich zu sehr darauf konzentriere, auswärtige Besucher zu beeindrucken – ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen. Landowicz: „Jahrlang haben die nicht gemerkt, dass wir eine Stadt am Fluss sind, und nun wird gleich alles so bombastisch. Man wird zum Touristen in seiner eigenen Stadt.“

Der Geschäftsführer des Fährbetriebs „Hal Över“, Dieter Stratmann, versteht die Sorgen der Anwohner nicht. „Es überrascht mich, dass die Fahrgäste so denken“, sagt er. „Wir sind superglücklich über die Modernisierung.“ Die ganze Anlage sei baufällig, die Holzdolben seien morsch. „Die Erneuerung war überfällig“, findet Stratmann.

Dennoch: Die Mehrheit der Stammgäste kann dem Umbau nichts abgewinnen. Eine Ausnahme ist Rentner Heinz Stockrahm. Seit über 50 Jahren schon nutzt er die Sielwallfähre. Er habe schon mehrere Eigentümer kommen und gehen sehen. „Ich finde es immer gut, wenn es Verschönerungen gibt“, sagt Stockrahm. Ebenfalls kein Problem mit dem Schlachte-Schick hat Roland Mietzner, der mit seinen Freunden zum Baden am Werdersee übergesetzt hat. „Ich glaube, dass ein neuer Anleger der Stadt mehr Attraktivität verleiht“, sagt Roland. Besonders lästig findet er, dass man bei Niedrigwasser die rutschige Rampe ganz hinuntergehen muss.

In den steilen Rampen sieht auch Annette Bruckhuisen ein Problem. „Wenn ich mit Fahrrädern und Kindern unterwegs bin, habe ich schon manches Mal Angst, dass jemand ins Wasser fällt“, sagt sie. Sie sieht aber keinen dringenden Handlungsbedarf: „Bisher ging es doch auch.“

Einen lässt die ganze Diskussion völlig kalt. Fährmann Andreas Marquart nimmt die Dinge so, wie sie kommen. Solange der alte Anleger wegen der Bauarbeiten nicht benutzt werden kann, wird er eben auf einen anderen Anleger, ein paar Meter in Richtung Weserstadion, ausweichen. Und zwei Dinge würden sich auf keinen Fall ändern, verspricht er. „Kassiert wird weiterhin auf dem Schiff.“ Und die berühmten Pirouetten auf der Weser werde es auch in Zukunft geben.

Steffen Hudemann