Der Klon der Nibelungen

Vier Siegfrieds, sechs Kriemhilds, sechs Brünhildes: Mit Power starten die Burgunder von Bremens Hochschule, sterben aber eher matt

„Tja, denn muss ich wohl nach Worms“, gesteht sich Brünhild angekotzt ein und trottet in ihrem roten Ledermäntelchen davon. Doch ihr Schicksal trägt sie nicht allein.

Wenn es etwas gab, woran am Sonntagabend in der Mensa am Neustadtswall kein Mangel herrschte, dann waren es Schauspieler. Gleich sechs der angriffslustigen Dominas schickte die Theaterwerkstatt der Hochschule Bremen für „Die Nibelungen“ in den Wettkampf gegen stolze vier Siegfrieds. Daneben sechs Kriemhilds, vier Gunters und drei Hagens, was zeitweise für Verwirrung sorgte.

Jedoch gab es Szenen, die von der Überbevölkerung profitierten. Als da wären die Hennenkämpfe zwischen der arroganten Brünhild, die der ältliche König Gunter durch eine List zu seiner Frau macht, und dessen Schwester Kriemhild. Zwölf Weiber können eben eindrucksvoller keifen als zwei.

Den Handlungsmotiven der fünf Hauptfiguren habe das Hauptinteresse gegolten, so das Programmheft. Reduziert also die blutrünstige Sagenstory auf die wesentlichen Inhalte: Siegfried, Drachentöter, kommt nach Worms, heiratet die Schwester von Burgunderkönig Gunter und spielt im Gegenzug, getarnt, für diesen den Brautwerber bei Brünhild. Dann bringt ihn der Verräter Hagen zur Strecke. Am Ende verbündet sich Siegfrieds Witwe Kriemhild mit Hunnenkönig Attila und macht der ganzen Sippschaft den Garaus.

Ein halbes Jahr hatte die Gruppe unter Leitung von Holger Möller und Roland Huhs trainiert zu schreien, Gefühle auszudrücken und Charaktere zu formen. Dem ersten Theaterprojekt brachte das Pädagogenduo vor vier Jahren das Laufen bei. Es folgten „Kirschgarten“ von Tschechow und Handkes „Die Stunde da wir nichts von einander wussten“.

Viele Studenten betraten auch diesmal die Bühne als Neuland, was man ihnen mitunter anmerkte. Ihr Pulver hatten sie leider verschossen, bevor es zum grausamen Ende kam. Wurde der Mord an Siegfried noch ausdrucksvoll betrauert, stirbt der greise König Gunter doch sehr unverhofft und überstürzt. Gleich danach steckt die rachelüsterne Kriemhild den Hagen von Tronje schnell in einen Plastik-Leichensack und das war’s. Der finale Applaus setzte erst nach fünf Sekunden geistigem Rattern im Publikum ein.

Dem Epos Nibelungen in einer guten Stunde gerecht zu werden, ist keine leichte Aufgabe. Trotz ihrer Mängel zeugte die Inszenierung der Theaterwerkstatt von sprühenden Ideen und einer Gruppe, die Spaß am Projekt hatte. Guido Drell und Robert Marks als Gunter im halbseidenen China-Bademantel zum Beispiel wissen die Geschichte vortrefflich mit Humor anzureichern. Auch die Brünhilds passten durch die Bank ins rote Ledermäntelchen. Warum die Kriemhilds Friesennerze tragen und in ihren Auftrittspausen Glied an Glied mannshohe Staffeleien beklecksen bleibt hingegen fraglich. Wie so manches für Leute, die das Lied der Nibelungen, das um 1200 der Feder eines unbekannten Dichters im Donaugebiet entsprang, nicht in Taschenbuchform unterm Kopfkissen liegen haben. Susanne Polig

Nibelungen, bis 5. Juni täglich, 20 Uhr, Mensa der Hochschule Bremen. Karten: ☎ (0421) 59 05 22 41