DAIMLERCHRYSLER: KAPITÄN SCHREMPP HAT ANLASS ZUR UNSICHERHEIT
: Shareholder Value in Eisbergform

Der Tanker bleibt auf Kurs, der Kapitän bleibt an Bord. Auf seiner Fahrt ins Gelobte Land der Weltkonzerne lässt sich DaimlerChrysler-Vorstandschef Jürgen E. Schrempp nicht beirren. Mit einer weltumspannenden Produktion und Fahrzeugen in allen Sparten wollte der Stuttgarter Lenker der Herausforderung der Globalisierung begegnen und sie zu seinem Vorteil nutzen.

Doch die Stimmung an Bord wird gereizter. Das erleben Schrempp & Co. in jedem Jahr, wenn sich der Vorstand den Fragen und dem Zorn der Aktionäre auf der Hauptversammlung stellen müssen. Das ist vor allem die Stunde der Klein- und Privatanleger mit ihren wenigen Stimmprozenten. Viel mehr als die Aufmerksamkeit einiger Medien dürfen selbst die Aktionärsvereinigungen nicht erwarten, geschweige denn Einzelaktionäre. Bedeutsamer sind die Vorwürfe der kritischen Aktionäre wegen der Beteiligung an Rüstungsgeschäften und immer wieder auftauchenden Menschenrechtsfragen. Aber auch diese haben die Männer auf der Brücke bislang immer aussitzen können.

Diesmal aber ist das Murren auf dem Schiff ungewohnt weit verbreitet. Erstmals übten auch die Profis, die das in Aktienfonds angelegte Geld verwalten, heftige Kritik. Die Deka wollte auf der Hauptversammlung Vorstand und Aufsichtsrat nicht mehr entlasten, DWS und Union Investment beklagen Fehlentwicklungen. Das alles ist auch noch nicht entscheidend, denn selbst wenn die Fonds oft Töchter von Großbanken sind, haben sie keine Mehrheit in dem Unternehmen. Aber der Vorstand muss sich unsicherer fühlen, denn die Vision des Weltkonzerns verliert bei den ausschließlich an Rendite orientierten Profis an Strahlkraft.

Schrempp wird am BMW-Konzern gemessen, der sehr schnell seine Shopping-Tour beendet und sich von der verlustreichen Tochter Rover wieder getrennt hat. Dem BMW-Börsenwert ist dies gut bekommen, während Schrempp nun auch noch als Kapitalvernichter kritisiert wird. Der Shareholder Value, den Schrempp als einer der Ersten mit aller Macht propagiert hat, kommt jetzt in Form eines Eisbergs heran. STEPHAN KOSCH