ETIKETTENSCHWINDEL FÜR DEN IRAK? NUR DIE UNO HAT EINE CHANCE
: Die Nato wird‘s nicht richten

Angesichts ihres katastrophalen Scheiterns im Irak fordert die Bush-Administration immer lautstarker die Nato zur „Übernahme von Verantwortung“ auf. Möglicherweise wird die Allianz auf ihrem Gipfeltreffen Ende Juni in Istanbul einen entsprechenden Beschluss fassen. Vieles ist noch unklar: Werden lediglich die bereits heute im Irak stationierten Truppen aus Mitgliedsstaaten der Allianz einem gemeinsamen Nato-Oberkommando unterstellt? Oder werden weitere Nato-Länder Soldaten entsenden? Und vor allem: Sollen die bislang vor allem durch Exekutivverfügungen des Chefs der US-Besatzungsverwaltung, Paul Bremer, gesetzten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die auch von dem „gemäßigten“ Schiitenführer Ajatollah Sistani kritisiert werden, bei einer Nato-Präsenz im Irak unverändert bleiben?

Doch wie immer diese Fragen schließlich entschieden werden: Auch wenn die Nato irgendeine Rolle im Irak übernimmt, besteht keine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage. Eher ist eine Eskalation wahrscheinlich. Denn Nato-Truppen, egal aus welchem Mitgliedsland, werden im Irak als Anhängsel der US-Besatzer wahrgenommen und entsprechend stoßen sie auf Ablehnung, Widerstand und Gewalt. Nur die Übernahme der gesamten Verantwortung durch die UNO – inklusive der Stationierung einer UNO-Friedenstruppe – bei gleichzeitigem Abzug der Truppen der derzeitigen Besatzungskoalition bietet überhaupt zumindest eine Chance auf eine Beruhigung der Lage.

Dies endlich klar auszusprechen, unter den UNO-Mitgliedsländern aktiv für ein entsprechendes Modell zu werben und dafür dann auch die Bereitstellung von Bundeswehrsoldaten anzubieten – das wäre tatsächlich ein verantwortliches Handeln der Bundesregierung. Die Erklärung von Außenminister Fischer, Berlin werde den von Washington angestrebten Nato-Beschluss über eine Präsenz der Allianz im Irak „nicht blockieren“, diese Präsenz im Irak aber nicht mit deutschen Soldaten unterstützen, ist hingegen nur Politik nach dem Motto: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ ANDREAS ZUMACH