In Grenzen romantisch

Der Traum vom Wohnen auf dem Wasser birgt so manche Tücken: hohe Kosten, Wellenschlag und Eisgang. Alle fünf bis zehn Jahre muss das Hausboot auf die Werft. Bislang fehlt Infrastruktur. Behörden-Arbeitsgruppe sucht nach Liegeplätzen

von GERNOT KNÖDLER

Die Kogge, die Anfang Februar auf dem Bergedorfer Serrahn absoff, ist für Peter Schulz das beste Beispiel dafür, was Hamburg blühen kann, wenn es nicht nur 1.000 Brücken, sondern auch 1.000 Hausboote haben will. Augenscheinlich in Schuss, verrottete der hölzerne Schiffsrumpf unter der Wasserlinie. Weil beim Eigentümer nichts zu holen ist, muss die Stadt für die Entsorgung des Wracks aufkommen.

Schulz ist bei der Umweltbehörde für die knapp 40 Büros, Wohnungen, Restaurants, Kirchen und Theater zuständig, die bereits heute auf den Gewässern dümpeln. Dass es mehr werden sollen, sieht er mit Skepsis. „Sprechen Sie mal mit den Kollegen in Amsterdam“, regt er an. „Die sagen: Wir sind dankbar für jedes Schiff, das verschwindet.“

Der Wasserwirtschaftler gehört zu der behördenübergreifenden Arbeitsgruppe „Floating Homes“, die zurzeit nach geeigneten Liegeplätzen für Hausboote sucht. Anfang Juni wird ihr Bericht erwartet, der mit großen Hoffnungen verbunden ist. Denn die Hausboote könnten dazu beitragen, das Besondere des Lebens an Elbe, Alster und Bille herauszustreichen und so dem Senat beim Werben um neue Bewohner für die Wachsende Stadt helfen.

Dabei ist die Idee, Hamburg nicht nur ans Wasser, sondern auch auf das Wasser zu bringen, keineswegs neu. Seit Jahren propagiert die Firma „SeHHafen Schwimmende Häuser“ das Wohnen und Arbeiten auf Schiffen und Pontons. Stadtteil-Aktivisten machten sich für eine Hausboot-Siedlung im Spreehafen stark, um Wilhelmsburg mit der Innenstadt zu verbinden. Schließlich wurde die Idee der schwimmenden Häuser bei einer Internet-Debatte zur Wachsenden Stadt mit einem Preis gekrönt. Aus der Debatte heraus gründete sich das Netzwerk www.SchwimmendeHaeuser.de, das das Konzept einer schwimmenden Siedlung zu entwickeln versucht.

Ziel der Gruppe sei es, „das Thema Hausboote aus der Nische zu holen“, sagt Petra Diesing vom Büro Neustadt-Architekten. Ihren Vorstellungen nach soll sich jedermann für das Wohnen auf dem Wasser entscheiden und dabei über ein voll funktionsfähiges Haus verfügen können. Das Modell eines solchen Hauses, das lediglich Wasser und Strom von Land benötige, sei bereits entwickelt. Mit dem Abwasser soll eine Kleinkläranlage fertig werden. Die Heizenergie käme per Wärmetauscher aus dem Umgebungsgewässer.

Einen Schritt weiter dachte die Architektin Sabine Kämpermann, die 2002 ein modulares Hausboot-Konzept vorstellte. Kämpermann schlägt mehrstöckige, flutsichere „Tower“ vor, die fest am Kai verankert werden und alles enthalten, was an die Infrastruktur angeschlossen werden muss: Küche, Bad, WC und Heizung. An den Towern könnte dann ein Sammelsurium von Hausbooten und Pontons mit Häusern festmachen.

Kämpermanns Tower lösen das Problem der Ver- und Entsorgung, das Schulz schon viel Ärger verursacht hat. Zu den Voraussetzungen, die die Behörde vor Erteilung einer Liegeerlaubnis erfüllt sehen möchte, gehören überdies ein Schwimmfähigkeitszeugnis, eine Havarie-Versicherung und die Zustimmung des Landeigentümers am Ufer. All das kostet viel Geld.

„Die laufenden Kosten eines Hauses auf dem Wasser betragen das Dreifache der Kosten auf dem Land“, schätzt Jan Peters von SeHHafen (www.seHHafen.de). Er und seine Frau Christine Röthig restaurieren im Spreehafen seit einem Jahrzehnt Hafenlieger und vermieten sie an Unternehmen. Den Planungsworkshop der Baubehörde zum „Sprung über die Elbe“ begleiteten sie als technische Berater. Allein der Werftbesuch, der alle fünf bis zehn Jahre fällig sei, koste 20.000 Euro, sagt Peters.

Die Probleme ließen sich jedoch verringern, wenn die Stadt das Wohnen auf Schiffen nicht nur duldete, sondern aktiv Hausbootsiedlungen entwickelte. Dann ließen sich die Erschließungskosten drücken und die Grauzone auflösen, in der heute Strom geklaut, Fäkalien über Bord gekippt und Schiffe im Stich gelassen werden. Röthig und Peters schlagen dafür eine zentrale Stelle vor, eine Art Hausbootbeauftragten. Schulz zum Beispiel ist nicht für das Gebiet von Elbe und Hafen zuständig.

Bleibt die Warnung davor, dass das Wohnen auf dem Wasser Unannehmlichkeiten mit sich bringt, mit denen nicht jeder rechnet: Je nach Liegeplatz und Konstruktion kann das Boot schon mal schaukeln. Im Winter bollert Eis gegen die Bordwand und die Nähe zur Natur konfrontiert den Bewohner auch mit deren Leiden. „Jedesmal zu Beginn der Sportboot-Saison steige ich in Watstiefeln ins Wasser und fische größere Mengen an Bierdosen, Süßigkeitenpapier, Flachmänner und tote Vögel aus dem Wasser“, erzählt Peters.