Faxkrieg in der Innenbehörde

Im Streit zwischen Berlins Polizeibeamten und dem SPD-Innensenator über Arbeitsüberlastung und Überstundenberge radikalisieren sich die Kampfformen

Per Fernschreiben hat zu Wochenbeginn eine Kriminaloberrätin im Landeskriminalamt (LKA) allen KollegInnen mitgeteilt, dass ihre Dienststelle demnächst nur noch drei Wochen monatlich arbeiten werde.

Mit genauer Datumsangabe heißt es in dem Telex, das der taz vorliegt: „Aufgrund eines angeordneten Überstundenabbaus wird der Dienstbetrieb des LKA 335 (AG Schwarzafrikaner) in den Monaten Mai bis September jeweils für eine Woche vollständig eingestellt“. Die sieben Fahnder dieser Fachdienststelle verfolgen afrikanische Scheckkartenbetrüger wie die so genannte Nigeria-Connection oder die Kenia-Connection, die Dummen einreden, sie könne deren Geld mittels spezieller Chemikalien verdoppeln.

Durchschnittlich 420 Überstunden haben die dortigen Beamten angesammelt (Spitzenwert: 900). Da ist an Abbummeln oder Auszahlung nicht zu denken. Was zunächst nach einer neuen Berliner Posse aussieht, hat die Stadtgrenzen jedoch mühelos übersprungen, denn das Telex hat Karin P. gleich auch bundesweit an alle Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt abgesetzt. So etwas macht Furore. Innensenator Ehrhart Körting hat die neue Regelung bei Bekanntwerden denn auch erwartungsgemäß sofort untersagt. Von Karin P. wurde verlangt, dass sie umgehend eine Berichtigung ihres Fernschreibens hinterherschickt. Sie weigerte sich jedoch und muss nun mit dienstlichen Konsequenzen rechnen.

Die Aufgabe übernahm daraufhin LKA-Vize Heinz Jankowiak mit einem Dreizeiler: Aufgrund „eines Büroversehens“ sei das Schreiben nicht mit der Polizeiführung abgestimmt gewesen und „deshalb zu vernichten“.

Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei hat Karin P. mit ihrem Schritt „die Notbremse gezogen“. Das „einfallslose und unstrukturierte Stellenstreichen“ werde künftig wohl zu „vielen solcher Vorfälle“ führen.

Lutz Hansen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht in dem Telex einen „drastischen Hilferuf“, der dazu führen sollte, „über die Arbeitsbelastung der Kripo“ nachzudenken. Er kann sich nicht vorstellen, dass der Vorstoß ohne Absprache mit dem Personalrat unternommen wurde. Mehr möchte er nicht sagen. Da steht Körting offenbar noch so einiges ins Haus. Ganz Unrecht haben beide Organisationen nicht, denn die Überstundenberge bei der Polizei sind hoch und kaum abzutragen. Daran könnte allerdings auch die mehrwöchige Urlaubsinitiative im LKA 335 nichts ändern. Sie würde die Bugwelle nur kurzfristig verschieben, denn die Arbeit wäre nachzuholen. Nun soll die Arbeitszeit ein bisschen „modifiziert“ werden, was wiederum die Aufklärung von Straftaten verzögert, wie es heißt. Ein Weg aus dem Dilemma ist derzeit nicht in Sicht. OTTO DIEDERICHS