Zyperns Führer sind sich im Nein einig

Die Präsidenten des Nordens und des Südens fordern dazu auf, bei dem Referendum gegen den UNO-Plan zu stimmen

NIKOSIA taz ■ Es endete in beiden Fällen mit feuchten Augen. Zuerst der türkisch-zypriotische Volksgruppenpräsident Rauf Denktasch am Dienstag, dann, einen Abend später, der griechische Präsident Zyperns, Tassos Papadopoulos: Beide riefen ihre Volksgruppen unter Tränen dazu auf, bei der Volksabstimmung über den UN-Plan am 24. April mit Nein zu votieren. Beide beteuerten tief bewegt, es ginge ihnen nur um die Rettung der jeweils eigenen Republik.

Während Denktasch behauptet, der Annan-Plan zur Wiedervereinigung Zyperns würde letztlich dazu führen, dass die Türken in „der Masse der Griechen“ untergehen, will Papadopoulus seine griechische Republik Zypern nicht aufgeben, um künftig in dem neuen vereinten Staat Zypern die Macht mit den Türken teilen zu müssen. Beide Präsidenten sind alte Männer, vereint in Nationalismus und tief sitzendem Misstrauen gegen die jeweils andere Bevölkerung.

Für die Zukunft in Zypern stehen Männer wie Mehmet Ali Talat, der Ministerpräsident des türkischen Nordteils Zyperns, und George Vassiliou, Chef der kleinen Liberalen Partei im griechischen Süden. Beide hoffen auf eine wiedervereinigte Insel in der EU. Unterstützung erhalten sie vom früheren griechischen Präsidenten Zyperns, Glafkos Klerides. Der Mann, der über 30 Jahre mit Denktasch verhandelt hat, erklärte am Mittwochabend vor der Führung der Oppositionspartei Disy, er werde mit Ja votieren.

Doch auf beiden Seiten der Insel ist es leichter, eine aus Emotionen und Ängsten gestützte Nein-Kampagne zu initiieren, als der Bevölkerung die Vorteile des zunächst sehr kompliziert erscheinenden UN-Planes plausibel zu machen. Vor allem im griechischen Süden ist das schwer, weil alle Parteien es bislang versäumt haben, die Bevölkerung über den Plan wirklich zu informieren. Man hatte einfach nicht damit gerechnet, dass die Türkei einem Referendum zustimmen würde. Jetzt müssen Disy, die linke Akel und die Liberalen in zwei Wochen nachholen, was die türkischen Zyprioten bereits im letzten Jahr hinter sich gebracht haben: Da wurde Talat mit knapp 52 Prozent als Befürworter des Annan-Plans gewählt.

Doch jetzt geht es bei vielen Menschen um ihr ganz persönliches Schicksal. Der Annan-Plan sieht vor, dass erhebliche Teile des jetzt von den Türken kontrollierten Gebietes an die griechische Bevölkerung zurückgegeben werden. Rund 120.000 griechische Flüchtlinge können dann in ihre Dörfer zurückkehren oder Häuser und Ländereien wieder in Besitz nehmen.

Für die türkischen Zyprioten, die sich nicht mit den griechischen Besitzern einigen können oder nicht im griechischen Kanton leben wollen, bedeutet dies, dass sie umziehen müssen. Das betrifft rund 58.000 Menschen, bei einer Gesamtbevölkerung von 200.000 im Nordteil.

Trotzdem scheint ein Ja unter den Zyperntürken wahrscheinlicher als im Süden, weil dort die Befürworter des Plans ein überzeugendes Argument auf ihrer Seite haben: Bei einer Zustimmung wird auch der verarmte türkische Teil ab 1. Mai Mitglied der EU. „Die stimmen darüber ab, ob sie reich werden wollen, während wir dann dafür bezahlen sollen“, begründet ein Hotelier im Süden die Ablehnung vieler Griechen.

Dass Linke, Liberale und Konservative trotzdem für ein Ja werben werden, hat damit zu tun, dass sie wissen, dass die ganze Insel langfristig von einer Friedensregelung profitieren wird. Vor allem aber befürchten sie, dass ein Nein kurzfristig zu bösen Konsequenzen führen würde. Stimmte der Norden mit Ja und der Süden mit Nein, würde der griechische Süden zwar trotzdem allein EU-Mitglied. Der Norden könnte dann aber darauf hoffen, dass die UNO ihre Sanktionen aufhebt. Auch die politische Isolierung der international nicht anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ könnte sehr schnell beendet sein.

EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat bereits angekündigt, dass die EU im Falle eines griechischen Nein nach anderen Wegen suchen wird, um mit dem Norden zusammenzuarbeiten. Das würde über kurz oder lang zu einer faktischen Anerkennung des türkischen Kleinstaates führen – und damit letztlich zu dem, was Denktasch und die anderen türkischen Nationalisten immer erreichen wollten.JÜRGEN GOTTSCHLICH