Kürzen bei der Industrie

Mindestens 15 Milliarden Euro fehlen im Bundeshaushalt 2004. Die Grünen wissen auch schon, woher das Geld kommen soll: Sie wollen die ökologisch schädlichen Subventionen reduzieren

aus Berlin HANNES KOCH

Nachdem die SPD das Streitthema Agenda 2010 beiseite geräumt hat, geht es jetzt beim Bundeshaushalt 2004 zur Sache. Er soll endlich wieder „verfassungskonform“ ausfallen – was in den Haushaltsjahren 2002 und 2003 bereits verfehlt wurde. Die Neuverschuldung lag in beiden Jahren über der Summe der Investitionen. Das soll sich nächstes Jahr nicht wiederholen. Doch um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, müssen 15 bis 18 Milliarden Euro eingespart werden. Der grüne Parteirat hat gestern einen ersten Versuch unternommen, die gewaltige Summe zusammenzukratzen.

Vier bis sechs Milliarden Euro wollen die Grünen bei „umweltschädlichen Subventionen“ einsparen. Denn die „Rasenmäher-Methode“, alle Finanzhilfen des Bundes linear um zehn Prozent zu kürzen, hält der kleinere Koalitionspartner nur für die zweitbeste Lösung.

Umweltfreundliche Mehreinnahmen wollen die Grünen zum Beispiel erzielen, indem Steuervergünstigungen für die Wirtschaft entfallen. Wenn die chemische Industrie etwa Mineralöl zur Herstellung von Produkten benötigt, ist der Verbrauch momentan steuerfrei. Würde dieses Steuerprivileg aufgehoben, könnte der Bund bis zu 1,5 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. Ähnlich sieht es in der Mineralölindustrie selbst aus. Die 1930 erstmals eingeführte Steuerbefreiung kostet jährlich 164 Millionen Euro, rechnen die Grünen vor.

Weiteren Handlungsbedarf sieht die Partei unter anderem bei den bisher bestehenden Ausnahmen von der Ökologischen Steuerreform. 400 Millionen Euro könnte der Staat dort pro Jahr zusätzlich einnehmen. Landwirte dürften wenig erfreut sein, dass die Grünen ihnen die geringere Besteuerung beim Agrardiesel wegnehmen wollen, mit dem die Schlepper fahren.

Dabei ist das angestrebte Sparziel von vier bis sechs Milliarden Euro noch bescheiden. Denn das Gesamtvolumen der Grünen Liste „beläuft sich auf jährlich 21 bis 23 Milliarden Euro“, schreiben die Verfasser, unter ihnen der Umweltpolitiker Reinhard Loske. Aber sie rechnen selbst nicht damit, alle ihre Vorschläge durchsetzen zu können. Und selbst die abgespeckte Variante von vier bis sechs Milliarden Euro benötigt nicht nur die Zustimmung der SPD, sondern auch die Unterstützung der Unionsländer im Bundesrat.

Die Grünen beschränken sich daher bei der Milliardensuche nicht nur auf die Subventionen, sondern sind sich mit dem Bundesfinanzminister einig, dass der Bundeszuschuss zur Rentenkasse sinken muss. Dieser Posten umfasst rund 78 Milliarden Euro im Bundeshaushalt, wovon zwölf Milliarden auf so genannte „versicherungsfremde Leistungen“ entfallen. Darunter ist unter anderem der 50-Prozent-Zuschuss zu den Krankenversicherungsbeiträgen der Rentner zu verstehen. Medienberichten zufolge streiten sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und Finanzminister Hans Eichel (beide SPD), ob und in welcher Höhe der Zuschuss gekürzt werden soll. Beide Ministerien dementierten gestern freilich, dass darüber überhaupt gesprochen werde.

Ein weiteres Haushaltsloch tut sich möglicherweise auf, wenn die Einnahmen aus ehemaligem Fluchtkapital weit spärlicher fließen als ursprünglich eingeplant. Finanzminister Eichel will die Geldbesitzer zwar weiterhin mit vorübergehend niedrigen Steuersätzen dazu bewegen, ihr hinterzogenes Vermögen aus dem Ausland nach Deutschland zu überweisen. Die dauerhafte Senkung der Zinssteuern hat man nun aber wegen zu erwartender Einnahmeausfälle ad acta gelegt. Für Kapitalbesitzer fällt damit ein Anreiz weg, ihr Geld zu „repatriieren“.