Rice verteidigt Bushs Antiterrorpolitik

Vor dem Untersuchungsausschuss zu den Attentaten vom 11. September hat die Beraterin für Nationale Sicherheit nureine Neuigkeit zu bieten: einen Bericht über geplante Anschläge in den USA, möglicherweise mit entführten Flugzeugen

AUS WASHINGTONMICHAEL STRECK

Den Auftritt von Condoleezza Rice am Donnerstag vor der Untersuchungskommission zum 11. September hatte sich das Weiße Haus etwas anders vorgestellt. Vor der fernsehschauenden Nation sollte die Sicherheitsberaterin von George W. Bush ihr ganzes politisches Talent einsetzen, um den Präsidenten vor dem Vorwurf reinzuwaschen, im Kampf gegen den Terrorismus versagt zu haben. Doch statt wie erhofft die ungeteilte mediale Aufmerksamkeit zu erreichen, wurde der Auftritt von den blutigen Unruhen im Irak überschattet. Die US-Regierung muss nun fürchten, dass die Aussagen von Rice beim Wahlvolk übermorgen vergessen sein werden.

Rice verteidigte kühl, sachlich und aggressiv die Antiterrorpolitik der Bush-Regierung vor und nach den Attentaten. Ihr Credo: Wir taten alles und haben keine Fehler gemacht. Schuld seien andere: eine jahrzehntelange falsche Sicherheitspolitik, Bill Clinton und strukturelle Probleme innerhalb und zwischen CIA und FBI. Rice bemühte sich trotz gegenteiliger öffentlicher Bekundungen zu jener Zeit dem Eindruck entgegenzutreten, Weißes Haus und Pentagon hätten sich nach Bushs Amtsantritt vor allem um Raketenabwehr und das Verhältnis zu Russland, China und anderen Regionalmächten gekümmert.

Sie versuchte, Bush als jemanden zu porträtieren, der sich der Gefahr durch den Terrorismus bewusst gewesen sei. „Präsident Bush verstand die Bedrohung, er verstand ihre Bedeutung.“ Aber, und dies war als Breitseite gegen Clinton gedacht, Bush habe nicht nur mit einzelnen Raketenschlägen auf al-Qaida reagieren wollen. „Er sei die Schläge mit der Fliegenklatsche überdrüssig“, sagte sie. Stattdessen sei bis zum Sommer 2001 eine umfassende Strategie entwickelt worden, die zum Ziel hatte, das Terrornetzwerk zu vernichten. Wie diese aussah, erläuterte sie nicht.

Lediglich eine bislang unbekannte Information ihrer Zeugenaussage erregte Aufsehen. Rice gab zu, dass Bush am 6. August 2001 in seiner täglichen Unterrichtung durch den Geheimdienst mitgeteilt worden sei, dass Al-Qaida-Chef Ussama Bin Laden einen Anschlag auf die USA plane, möglicherweise mit entführten Flugzeugen. Details zu dem Treffen könne sie jedoch nicht offen legen, da die Protokolle geheim sind. Das Weiße Haus könnte sich jedoch gezwungen sehen, die Dokumente zu veröffentlichen – einen Vorgang, den es zuletzt unter Präsident Lyndon Johnson während des Vietnamkriegs gab.

Dass Rice überhaupt auf der Zeugenbank Platz nehmen musste, verdankte sie Richard Clarke, einem ihrer ehemaligen Mitarbeiter und Bushs Berater in Antiterrorfragen. Dieser hatte vor drei Wochen mit brisanten Äußerungen über dessen Haltung im Kampf gegen den Terror ein politisches Erdbeben ausgelöst. Clarke erschütterte das Image des führungsstarken Präsidenten, indem er ihm vorwarf, gegen al-Qaida weniger entschlossen vorgegangen zu sein als Clinton und durch die Invasion im Irak den Antiterrorkampf untergraben zu haben. Die Kontroverse wollte nicht verstummen, und so gab das Weiße Haus dem Druck der Kommission nach, Rice vernehmen zu dürfen, in der Hoffnung, Bush dadurch aus der Schusslinie zu ziehen.

Es wurde jedoch nicht das erwartete rhetorische Duell mit Clarke. Nachdem sie ihn in vorangegangenen Interviews persönlich scharf angegriffen hatte und als „extrem arrogant“ bezeichnete, attackierte sie ihn diesmal ausschließlich sachlich. Rice’ Problem war, dass viele Insider des Weißen Hauses die Aussagen von Clarke bestätigen.

Während Bush von seinem texanischen Landsitz verlauten ließ, Rice habe „einen tollen Job gemacht“ und Republikaner sich erwartungsgemäß zufrieden zeigten, reagierten Angehörige von Opfern enttäuscht. „Ich bin frustriert, dass sie nicht zugeben kann, Fehler gemacht zu haben“, sagt Mary Fetchet, die im World Trade Center ihren Sohn verlor. Die Washington Post nannte ihren Auftritt „nicht überzeugend“, die New York Times warf ihr vor, mit der Irakinvasion den „falschen Weg“ im Antiterrorkampf eingeschlagen zu haben, und Mitglieder der Kommission brachten während der Vernehmung wiederholt deutlich ihren Unmut darüber zum Ausdruck, dass sie nicht bereit war, auch nur die kleinste Verantwortung zu übernehmen.

Die zum Teil hitzige Anhörung war ein Spiegelbild des tiefen politischen Grabens, der durch Washington verläuft. Die Demokraten in der Kommission gingen mit Rice hart ins Gericht. Die Republikaner verhielten sich zahm. Die Öffentlichkeit fragt sich derweilen, wie angesichts der ideologischen Differenzen ein Abschlussbericht zustande kommen kann, der eine faire Analyse der Versäumnisse und konstruktive Empfehlungen für die Zukunft geben kann.

Gemessen an dem Wirbel, der um ihre Zeugenaussage vorab veranstaltet wurde, war Rice’ Auftritt eine Enttäuschung: Für jene, die sich um eine ernsthafte Aufklärung der Frage bemühen, welche Versäumnisse den 11. September ermöglichten. Aber auch für alle Republikaner, die ihren Auftritt als Wahlkampfspektakel benutzen wollten, um Bushs Haut zu retten. Der Krieg im Irak erinnert permanent daran, dass mit dem Krieg gegen den Terror etwas schief gelaufen ist.