Ficken für St. Pauli

Die im Krisenzentrum am Millerntor eingebetteten Journalisten berichten von euphorischen Reaktionen auf die Rettungsaktion für den FC St. Pauli

Ein lizenzloser Verein ist so schlimm dran wie ein herrenloser Hund

von RENÈ MARTENS

Manche Menschen, die sowohl dem FC St. Pauli als auch Tom Jones zugeneigt sind, empfanden es als Affront, dass der Entertainer sein Hamburg-Konzert am vergangenen Wochenende ausgerechnet in der Arena an der Müllverbrennungsanlage bestritt. Doch spätestens bei der ersten Zugabe war alles vergessen. „Dieses Lied ist für den FC St. Pauli! Für die Lizenz! Der Kampf geht weiter!“ rief Jones aus, und was folgte, war eine sensationelle Weltpremiere. Aus aktuellem Anlass hatte der Superstar seinen Hit „Horny, horny, horny!“ umgedichtet. „Corny! Corny! Corny!“ heißt es nun im schmissigen Refrain.

Seit gestern wird die neue Version als Single im Fanshop des FC St. Pauli verkauft, und die Erlöse gehen natürlich komplett an den Not leidenden Klub. Die im Krisenzentrum auf dem Heiligengeistfeld eingebetteten Journalisten berichten bereits von euphorischen Reaktionen aus aller Welt. Aus Singapur, Kuala Lumpur und Schwarzenbek seien Internet-Bestellungen für die bei Sammlern schon jetzt begehrte Platte eingetroffen, und der eine oder andere habe aus Solidarität auch gleich eine Dauerkarte geordert, heißt es.

Am kommenden Wochenende gehen die Rettungsaktionen in ihre heiße Phase. Auch ein paar Big Player der hiesigen Bordellszene möchten jetzt ihren Beitrag dazu leisten, dass der Klub am 11. Juni die Lizenz für die Regionalliga erhält. Mit dem Motto „Ficken für den FC St. Pauli!“ versuchen sie von Freitag bis Sonntag Kunden in ihre Etablissements zu locken. Immerhin 80 Prozent ihres Wochenend-Umsatzes wollen die Top-Luden dem FC St. Pauli spenden – natürlich nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern aus langfristigem wirtschaftlichen Kalkül. „Wenn der FC nur in der Oberliga spielt, ist das schlecht fürs Geschäft, denn Eider Büdelsdorf und der TSV Kropp bringen doch kaum Fans mit“, sagt einer der Organisatoren der Aktion.

Unterstützung bekommt der Verein auch von renommierten Vertretern des Kokaingewerbes. „Der Fußballstandort St. Pauli muss erhalten bleiben. Der Verein ist unheimlich wichtig für die Region“, sagt einer der Top-Händler, der seinen Namen aber nicht genannt wissen möchte. St. Pauli-Fans sollten am Wochenende auf Händler achten, die ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Meine Nase ist braun-weiß“ tragen. Wer bei ihnen seine Wochenendration kauft, darf sich sicher sein, dass 70 Prozent der Summe beim Verein landen.

Der Kampf um die Rettung des FC St. Pauli hat mittlerweile sämtliche Bevölkerungsschichten ergriffen. Einige Verkäufer der Obdachlosenzeitung „Hinz & Kunzt“ führen bis zum 11. Juni 20 Prozent ihrer Verkaufserlöse an den Verein ab. „Arme helfen Armen“ lautet das Motto der Aktion. Das Tierheim Süderstraße hat derweil ein rührendes Solidaritätsbekenntnis übermittelt. „Ein lizenzloser Verein ist so schlimm dran wie ein herrenloser Hund“, sagte ein Sprecher. Sämtliche Neuankömmlinge im Tierheim bekamen in den letzten Tagen braun-weiße Halstücher umgebunden.

Kein Wunder, dass die Kampagne nun sogar im fernen Rom ein Echo gefunden hat. Gestern trat Papst Johannes Paul II. dem FC St. Pauli bei, er bekam die symbolträchtige Mitgliedsnummer 110603. Ob der Heilige Vater nach Hamburg reisen wird, um einen anderen Top-Christen, den Stadtvorsteher Ole von Beust, beim Verkauf der St.-Pauli-Dauerkarten zu unterstützen, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Morgen ab 15.30 Uhr jubelt Corny Littmann mit christlichem Beistand des Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust (CDU) weitere Dauerkarten unters Volk. Inzwischen sind über 10.000 Weltpokalsiegerbesieger-Retter-Shirts abgesetzt, knapp 60.000 Euro gespendet und 1800 Dauerkarten verkauft.