Quer zum Wind gesegelt

Das Landgericht verurteilte den Macher des Sechs-Tage-Rennens, Frank Minder, zu zwei Jahren auf Bewährung – zusammen mit seinem Steuerberater betrog er den Fiskus um 1,5 Millionen Mark

Ein Berufsverbot für den Steuerberater wollte das Gericht nicht verhängen

taz ■ Frank Hans Karl Minder nahm das Urteil ohne äußerliche Regung auf. Die Haare hatte der stattliche Mann straff nach hinten gekämmt, den Schnurrbart akkurat gestutzt, und die Krawatte saß tadellos. Wie aus dem Ei gepellt saß der Macher des Bremer Sechs-Tage-Rennens auf der Anklagebank des Landgerichts, das ihn soeben zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt hatte. Außerdem muss er 120.000 Euro an die Staatskasse überweisen.

Nachdem das Gericht drei Prozesstage lang das Dickicht von Steuerberechnungen, Prämienzahlungen und verdeckten Gewinnausschüttungen durchforstet hatte, stand fest: Minder hat Mitte der neunziger Jahre Steuern in Höhe von über 1,5 Millionen Mark am Fiskus vorbeigeschleust, um Schulden zu tilgen und seine Reputation wiederherzustellen. Minders Ruf war angekratzt, seit der gelernte Einzelhandelskaufmann mit seinem Versuch Schiffbruch erlitten hatte, Anfang der neunziger Jahre in Moskau ein Sechs-Tage-Rennen nach Bremer Vorbild auf die Beine zu stellen. Das Ganze endete in einem wirtschaftlichen Fiasko, und Minder saß auf einem Schuldenberg von drei Millionen Mark.

Als der umtriebige Veranstalter dann 1992 de facto die Bremer Sport-Marketing GmbH (BSM) gründete, firmierte offiziell Minders Mutter als Gesellschafterin – wäre sein Name aufgetaucht, hätten Minders Gläubiger sofort alles gepfändet.

„Ich kann nur Sport“, hatte Minder sich vor Gericht selbst charakterisiert. Für alle buchhalterischen Details sei sein Steuerberater Hans-Dieter S. zuständig gewesen. Der bekam ebenfalls zwei Jahre auf Bewährung, er muss 30.000 Euro berappen. Mit neun Bewährungsmonaten kam die „Geschäftsführerin“ der BSM davon: Marita L. war laut Oberstaatsanwältin Monika Schaefer „die klassische Strohfrau“, die mit 1.250 Euro im Monat abgespeist wurde und „Unterschriften ins Blaue geleistet“ habe.

Minder benutzte die BSM, um sich finanziell gesundzustoßen: Am Vortag der Sechs-Tage-Rennen ließ er seinen Steuerberater eine Million Mark von der Bank abheben. Einen Teil des Gelds bekamen Radfahrer und Künstler bar auf die Hand, den Rest zwackte Minder für sich selbst ab. Die privaten Geldentnahmen aus der GmbH gab Minder gegenüber dem Finanzamt nicht an, und die Belege frisierte Steuerberater S. eifrig zurecht. „Herr Minder war der Nutznießer, aber Herr S. hat seine Berufspflichten ganz massiv verletzt“, so der Vorsitzende Richter Eduard Scotland. Deswegen seien beide „unter Strich gleich zu bestrafen gewesen“. Ein Berufsverbot gegen S. wollte das Gericht nicht verhängen – diesem steht jedoch noch ein Disziplinarverfahren vor der Steuerberaterkammer bevor, das das Ende seiner Karriere bedeuten könnte.

Zum Abschluss des Prozesses hob Richter Scotland übrigens recht väterlich den mahnenden Zeigefinger: Da habe der Sechs-Tage-Rennen-Boss ja wohl „versucht, etwas sehr quer zum Wind zu segeln“, metapherte Scotland. Und prompt habe sich der alte Bremer Kaufmannspruch „Buten un binnen, wagen un winnen“ ins Gegenteil verkehrt: „Manchmal kann es auch mit Verlieren enden.“ Markus Jox