Kampf dem toten Winkel

Der ADFC-Landesvorsitzende Benno Koch kritisiert, dass die Polizisten sich auf technische Mängel an Fahrrädern konzentrieren. Er fordert eigene Radspuren auf allen Straßen und spezielle Rückspiegel für Autos und Lkws

taz: Für wie sinnvoll halten Sie die verstärkten Verkehrskontrollen?

Benno Koch: Es gibt nach wie vor zu viele Unfälle und Verletzte, entsprechend sind sie natürlich sinnvoll. Wir kritisieren, dass die Polizei hauptsächlich die Fahrradtechnik kontrolliert – obwohl nur 1,5 Prozent aller Fahrradunfälle durch technische Mängel verursacht werden. Viel drängender ist die so genannte Tote-Winkel-Problematik.

Die besagt?

Pkw- und Lkw-Fahrer verursachen schwere Unfälle häufig durch Abbiege- oder Vorfahrtfehler. Mit speziellen Rückspiegeln – die übrigens nur 150 Euro kosten – könnten sie Radler besser sehen. Ein Drittel aller tödlich verletzten Radfahrer pro Jahr würden noch leben, wenn man dieses Problem ernst nehmen würde.

Aber auch technische Kontrollen helfen, Unfälle zu vermeiden.

Richtig, ihnen müssen aber Taten folgen. Das jedoch passiert nicht, sondern die Verantwortung wird abgeschoben. Drei Viertel aller schweren und tödlichen Fahrradunfälle finden im Verlauf von Radwegen statt, obwohl nur 10 Prozent der Berliner Straßen überhaupt Radwege haben. Da muss Abhilfe geschaffen werden. Radfahrstreifen auf der Fahrbahn und besagte Tote-Winkel-Spiegel müssen Vorschrift werden.

Beschweren sich viele Radfahrer bei Ihnen über die Kontrollen und zu hohe Bußgelder?

Bisher sind die Rückmeldungen überwiegend positiv. Vielleicht hat ja auch die Polizei ein bisschen dazugelernt. Es wird zwar nicht das kontrolliert, was wir für sinnvoll halten. Aber das Klima ist freundlich. Viele Fahrradfahrer werden auch nur verwarnt und müssen nicht gleich zahlen.

Fakt ist, dass viele Radfahrer Bürgersteige in Radwege umfunktionieren. Zu Recht?

Man muss doch fragen: Warum verhalten sich die Fahrradfahrer falsch? Die Nebenstraßen sind in Berlin häufig in schlechterem Zustand als die Hauptstraßen. Fahrradfahren auf Kopfsteinpflaster ist eine Quälerei, folglich fährt man auf dem Bürgersteig. Abgesehen davon ereignen sich nur etwa 3 Prozent aller Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern. Und sie gehen in aller Regel mit leichten Verletzungen einher.

Was ist für die Sicherheit von Radlern am wichtigsten?

Das Fahrrad muss als selbstverständliches Verkehrsmittel gelten. Radfahrer müssen dort fahren, wo sie hingehören – und zwar auf der Straße, auf eigenen Radspuren. Wenn sie sich jedoch falsch verhalten und beispielsweise linke Radwege benutzen, ist das nicht nur verboten, sondern außerdem sehr gefährlich. Da ist es dann auch absolut gerechtfertigt, wenn die Polizei abkassiert.

INTERVIEW: BEATE WAGNER