Groß-Ruhleben vom Tisch

Senat verabschiedet sich vom Ausbau der Müllverbrennungsanlage. Europäischer Gerichtshof hatte die Rechtsgrundlage verändert. Genugtuung bei Ausbaugegnern

Eine deutlich vergrößerte Müllverbrennungsanlage in Ruhleben ist endgültig vom Tisch. In einem Bericht ans Abgeordnetenhaus bekräftigte der Senat gestern seinen zwei Monate zurückliegenden Beschluss, den Ausbau nicht weiter zu verfolgen. Hintergrund sind zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Sie konterkarierten einen Beschluss des Senats vom Dezember, der einen Ausbau offen ließ. Die Entscheidung hätte demnach erst in diesem Jahr nach einem Kostenvergleich fallen sollen.

Die landeseigenen Stadtreinigungsbetriebe (BSR) hatten die Müllverbrennungsanlage im Bezirk Spandau ausbauen und dort nicht mehr die Hälfte, sondern rund drei Viertel des Berliner Siedlungsmülls verbrennen wollen. Dagegen erhob sich Protest. Eine Anwohnerinitiative lehnte es ab, die „Müllküche für ganz Berlin“ zu sein. Umweltpolitiker aller Fraktionen wandten sich gegen einen Ruhleben-Ausbau ab, am vehementesten die Grüne Felicitas Kubala und der SPD-Mann Daniel Buchholz. Gerade Buchholz aber fehlte der Rückhalt der Fraktion, in der er lange allein stand. Das Umschwenken nach dem EuGH-Urteil nannte Buchholt „eine Genugtuung“.

Die BSR hatten den Ausbau mit einer neuen Bundesverordnung begründet, die ab 2005 gilt. Demnach darf Müll nicht mehr unbehandelt auf die Deponie, sollte stattdessen zu einem guten Teil in den zu vergrößernden Brennöfen landen. Den Rest wollten die BSR über eine Bioanlage und Müllexport loswerden. Nach dem Umschwenken des Senats wird der Müll, der über die Kapazität von Ruhleben hinausgeht, ausgeschrieben und zur Entsorgung angeboten.

Der EuGH hatte eine Entsorgung in Müllverbrennungsanlagen als reine Abfallbeseitigung gewertet. Eine Verbrennung in Industrieanlagen wie Zementwerken hingegen ordnete er als – positiv belegte – Verwertung ein, wenn der Betrieb dadurch nicht Kohle oder Erdöl verfeuern muss. Das bisherige deutsche Recht unterschied die beiden Kategorien nicht anhand der Anlage, sondern über den Heizwert des verbrannten Mülls. Senator Strieder konnte darum ursprünglich einen möglichen Ruhleben-Ausbau damit rechtfertigen, dort finde dann auch Verwertung statt.

STEFAN ALBERTI