Ein Modemacher erhebt sich in die Luft

Textilunternehmer Wöhrl, nicht so bekannt wie seine Gattin, kauft sich eine Airline, die keiner mehr haben wollte

Dagmar Wöhrl organisiert Spendenaktionen für aidskranke Kinder. Dagmar Wöhrl ist Präsidentin des Tierschutzvereins Nürnberg. Dagmar Wöhrl verleiht die „Ehro“-Medaille – eine von ihr initiierte Auszeichnung für ehrenamtliche Verdienste. „Miss Deutschland“ war Dagmar Wöhrl auch schon. CSU-Schatzmeisterin ist sie, Präsidiumsmitglied des Atomforums, Bundestagsabgeordnete sowieso.

Dagmar Wöhrl ist eine starke, schöne, selbstbewusste Frau. Eine öffentliche noch dazu. Ihr Softporno „Die Stoßburg – wenn nachts die Keuschheitsgürtel klappern“ war öfter im Fernsehen zu bewundern. Über die 49-Jährige ist also alles bekannt. Was aber macht ihr Mann?

Geld ausgeben. Gestern zum Beispiel die ungewöhnliche Summe von einem Euro. Für diesen Betrag leistet sich Hans Rudolf Wöhrl die zweitgrößte Fluggesellschaft Deutschlands – die Deutsche BA (dba). Wöhrl kann sich das leisten, er ist Textilunternehmer, mehrfacher Millionär, setzt mit seinen 40 Modehäusern jährlich 350 Millionen Euro um. Was aber soll ein Textilunternehmer mit einer Airline anfangen? Die firmeneigene Website schreibt Hans Rudolf Wöhrl eine „große Schwäche für Organisation und Technik“ zu. Die ist biografisch belegbar: 1974 gründete der damals 27-Jährige den Nürnberger Flugdienst NFD. Der offerierte Charterflüge, später auch Linienverbindungen. Der NFD wuchs und wuchs und wurde – als Wöhrl seine Anteile 1992 verkaufte – schließlich zu Eurowings, die sich heute als viertgrößte private Airline Europas feiern. Wöhrl versteht also nicht nur etwas von „Damen einkleiden“, sondern auch von „Damen transportieren“.

Dass Wöhrl jetzt wieder Airlinebesitzer ist, verdankt er Konkurrent Easyjet. Weil sich die Briten nicht mit den deutschen Piloten auf einen Tarifabschluss einigen konnten, ließ Easyjet vor Monaten die Übernahme platzen. Seitdem galt die Zukunft der dba als „höchst ungewiss“.

Mit dieser Ungewissheit ist es nun vorbei: Zum 1. Juli ist Wöhrl neuer Besitzer, teilte British Airways gestern mit. Wohin die dba-Flotte (16 Flieger) unter Wöhrl starten wird, machte der schon mal klar: „Ziel ist, künftig nicht die billigste Airline zu sein, sondern das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten“. Wöhrl wird deshalb zuerst „die im Markt leider üblich gewordenen Marketing-Gags“ streichen – billigste Lockangebote, die so kompliziert sind, dass sie für Kunden praktisch irrelevant sind. „Die dba wird vielmehr ein transparentes, nachvollziehbares und günstiges Tarifsystem anbieten.“

Wöhrl erklärte gestern, nicht nur den Kunden Gutes tun zu wollen, sondern auch den 800 Mitarbeitern. „Ich kenn die Mannschaft seit Jahren und weiß deren Leistung zu schätzen.“ Entlassungen soll es vorerst nicht geben. Dafür aber „eine faire Chance für die Zukunft“.

Wo Wöhrl diese hernehmen will, steht in den Sternen. Seit ihrer Gründung fliegt die dba nämlich jährlich satte Verluste ein. Bislang trug diese die British Airways. „Es werden keine Anweisungen mehr aus London kommen“, sagte Wöhrl. Und ergänzt: „Aber auch kein Geld mehr.“ Sicher ist jedenfalls, dass sich Wöhrl im Notfall der Dienste seiner Frau sicher sein kann. Dagmar: „Beim NFD fiel in den Siebzigerjahren ständig eine unserer Stewardessen aus. Also habe ich einen Lehrgang besucht und bin eingesprungen, wenn Not am Mann war.“ NICK REIMER