Rechte von Verhafteten grob missachtet

Interner Untersuchungsbericht des US-Justizministeriums erhebt schwere Vorwürfe gegen die Behörden

BERLIN taz ■ Willkürliche Verhaftungen, keine Unterrichtung der Familienmitglieder über den Verbleib der Inhaftierten, Beschuldigte, die über Wochen nicht den Grund ihrer Festnahmen erfuhren: Ein am Montag in Washington veröffentlichter interner Untersuchungsbericht wirft dem US-Justizministerium „ernsthafte Probleme bei der Art der Behandlung“ von nach dem 11. September 2001 Inhaftierten vor. Auf fast 200 Seiten bestätigt der noch zur Amtszeit Bill Clintons eingesetzte „Inspector General“ des Ministeriums, Glenn Fine, viele der Vorwürfe gegen US-Behörden, wie sie von US-Bürgerrechtsgruppen seit langem vorgebracht werden.

Insgesamt 762 Ausländer wurden dem Bericht zufolge nach den Anschlägen von New York und Washington in Gewahrsam genommen. Pakistani stellten mit 254 Inhaftierten, oder 33 Prozent, die mit Abstand größte Gruppe. Nicht bei einem der Festgenommenen bestätigte sich der Terrorismus-Verdacht. In einer normalen Lage, so der Bericht, wären sie wohl nie wegen der ihnen zur Last gelegten Verletzungen der Visabestimmungen belangt worden.

Entgegen den Richtlinien der US-Immigrationsbehörde INS wurde den Internierten nicht innerhalb von 72 Stunden die Gründe für ihre Festnahme erklärt, beklagt der Bericht. Einige erhielten erst nach einem Monat den Bescheid über die Gründe ihrer Inhaftierung. Anders als üblich gab es keine Möglichkeit, auf Kaution freizukommen. Telefonate mit Rechtsanwälten waren nur einmal pro Woche erlaubt, andere Gespräche nur einmal pro Monat.

Die schwersten Vorwürfe betreffen eine Haftanstalt im New Yorker Stadteil Brooklyn. Die Verantwortlichen verhängten dort zunächst eine mehrwöchige Kommunikationsperre. Auch nach deren offiziellen Ende wurden Angehörigen noch falsche Auskunft über den Verbleib der Gefangenen erteilt. Insbesondere in den ersten Monaten nach den Anschlägen vom 11. September mussten die Festgehaltenen, dem Report zufolge, außerdem physische und verbale Misshandlungen über sich ergehen lassen. Sie wurden zudem mindestens 23 Stunden täglich in die Zelle gesperrt, Ausgang war nur mit schweren Ketten an Händen und Füßen gestattet.

Eine Sprecherin des Justizministerium wies die Vorwürfe zurück: Alle Handlungen ihrer Behörde seien „vollständig innerhalb des Gesetzes und notwendig zum Schutz der amerikanischen Öffentlichkeit“ gewesen. Bürgerrechtsgruppen begrüßten dagegen die Untersuchung.

Aus Sicht von Anthony Romero, Direktor der „American Civil Liberties Union“, bestätigt der Bericht die „lange gehegten Auffassung“ seiner Organisation, dass „bürgerliche Freiheiten und die Rechte von Immigranten nach dem 11. September mit Füßen getreten wurden“.

ERIC CHAUVISTRÉ