Stau rund um Köln hat eine Zukunft

Das Verkehrsaufkommen auf dem Kölner Autobahnring steigt und steigt. Unternehmen wie Ford weichen lieber auf den Rhein aus. Doch IHK, Land und Bundesregierung setzen weiter auf Straßenausbau. Alternative Konzepte haben keine Chance

Von Thomas Spolert

„A1 Köln Richtung Euskirchen zwischen Kreuz Köln-Nord und Köln-Bocklemünd 3 Kilometer Stau. A3 Oberhausen Richtung Köln zwischen Leverkusen und Köln-Dellbrück 2 Kilometer Stau...“ So lauteten auch am Osterwochenende die Meldungen im Verkehrsfunk. Stoßstange an Stoßstange quälen sich genervte Autofahrer über einen der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Europas: den Kölner Autobahnring. 360.000 Fahrzeuge rollen im Schnitt jeden Tag über den insgesamt 52 Kilometer langen Kölner Ring. Er zählt damit zu den am höchsten belasteten und stauanfälligsten Verkehrsverbindungen im Bundesgebiet.

Kein Wunder also, dass der Kölner Autobahnring im 2001 verabschiedeten Anti-Stau-Programm der Bundesregierung an erster Stelle steht. Rot-Grün macht sich darin für den Autobahnausbau stark: Zwischen den Autobahnkreuzen Köln-Nord und Köln-West soll die A1 auf sechs, die A3 zwischen Leverkusen und Heumar gar auf acht Fahrstreifen ausgebaut werden. Seit Mitte 2002 ist dieser Ausbau in vollem Gange.

Massiver Ausbau

Eine halbe Milliarde Euro lässt der Bund für diese Baumaßnahmen springen. „Ein Autobahnkilometer auf dem Kölner Ring kostet etwa 20 Millionen Euro“, rechnet Heinz-Jürgen Hermanns, stellvertretender Leiter des Kölner Landesbetriebs Straßenbau NRW („Straßen.NRW“) vor. Für den Lärmschutz geben die Straßenbauer rund 25 Millionen Euro aus. Gewässerschutzmaßnahmen schlagen mit ungefähr 10 Millionen Euro zu Buche, die „Verkehrsbeeinflussungsanlage“ kostet weitere 11 Millionen Euro.

In den 90er Jahren war bereits der sechsspurige Ausbau der A4 zwischen dem Kreuz Köln-West und Heumar abgeschlossen worden. Diese Maßnahme habe die Verkehrssituation zwar „deutlich entspannt“, heißt es bei „Straßen.NRW“. Doch der zunehmende Transport von Halbfertigwaren durch Europa und die rollenden Lager auf Autobahnen („just-in-time“) bereiten den Verkehrsexperten Kummer. Schon heute machen die Lkws 13 Prozent des gesamten Verkehrs auf dem Kölner Ring aus. Im Zuge der EU-Osterweiterung dürfte der Lkw-Verkehr noch zunehmen, befürchtet Hermanns. „Es ist ein sprunghafter Anstieg des Lkw-Verkehrs zu erwarten“, so seine Einschätzung. Unumwunden gibt er zu, dass der Autobahnausbau allein nicht die Lösung sein kann: „Wir hoffen auf eine Entlastung durch die Verlagerung auf die Schiene und das Wasser.“

Beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Köln rennt Hermanns damit offene Türen ein. In 2001 hatte der VCD sich offen gegen den Ausbau des Autobahnrings ausgesprochen und sich damit gegen die Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK) gestellt. Damals hatte die IHK auf Großplakaten den sofortigen Ausbau gefordert, da sonst ein „akuter Verkehrsinfarkt auf dem Kölner Autobahnring“ drohe. Den Schaden für die Kölner Wirtschaft aus Zeitverlusten, Mehraufwand und Unfallfolgen bezifferte die IHK auf bis zu 250 Millionen Euro pro Jahr. Der VCD forderte statt des Ringausbaus eine „intelligente Lösung“. Durch Leerplätze in PKW gebe es enorme Kapazitätsreserven. Bereits bei nur einem weiteren Mitfahrer gäbe es keine Stauproblem mehr, so der VCD.

„Wir haben bei den Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik eine Windschutzscheibenperspektive“, beklagt Roland Schüler, Vorstandsmitglied des Kölner VCD. Alle glaubten, dass Wirtschaftswachstum nur über das Auto funktioniere. Dabei habe die Eisenbahn früher auch dazu beigetragen. Deshalb fordert Schüler den Ausbau des Schienennetzes. Das Geld dafür könne aus dem Topf für den Autobahnausbau kommen. Die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene könne die Kapazität der Autobahn erweitern. „Doch unter Rot-Grün ist es wirtschaftlicher geworden, Güter auf der Straße zu transportieren“, kritisiert Schüler. Gegen billige Dieselpreise und eine fehlende Mautgebühr könne die Bahn nicht konkurrieren. Diese müsse auch den Unterhalt ihres Schienennetzes selbst finanzieren. Die Spediteure hingegen würden nur einen Teil der Autobahnkosten zahlen.

Doch auch die Bahn steht in der Kritik des VCD. „Seit der letzten Fahrplanumstellung sind viele Pendler auf das Auto umgestiegen“, erklärt Schüler. Mit dem Ausbau von Schienenstrecken und mehr Zügen im Nahverkehr könnten diese wieder von der Autobahn geholt und so auch der Kölner Autobahnring entlastet werden.

Ford setzt auf das Schiff

Manche Unternehmen suchen unterdessen nach eigenen Wegen, um dem Verkehrschaos auf den Kölner Ringen zu entgehen. Mit der Eröffnung des Zuliefererparks habe der Autohersteller Ford den ankommenden Lkw-Verkehr reduzieren können, berichtet Pressesprecher Bernd Meier. Zwölf Firmen bauten Module für die Produktion direkt am Werk, so dass diese nicht mehr mit Lkw, sondern über eine Elektrohängebahn in die Fertigungshallen gelangen. „Obwohl seit Januar 2001 in drei Schichten produziert wird, konnte die Zahl der anliefernden Lkws von 200 auf 120 pro Tag gesenkt werden“, erklärt Meier.

Mehr als 80 Prozent der ausgelieferten Autos werden bei Ford per Bahn oder Binnenschiff transportiert. „Nur für die Händlerbelieferung im Umkreis von 80 Kilometer setzen wir Lkws ein“, so Meier weiter. Seit 2002 werde die gesamte Produktion für den englischen und irischen Markt direkt in Köln-Niehl auf speziell entwickelte Autotransporter verschifft. Ein Schiff ersetzt nach Angaben von Ford durchschnittlich 65 Lkw-Autotransporter. Im Jahr werden somit 11.000 Lkw-Fahrten überflüssig. Der italienische Markt werde per Autozügen direkt ab Werk beliefert.