Plastikchips sind zum Glück doof

Nach der TU führt auch die Potsdamer Uni eine Chipkarte statt eines Studiausweises ein. Beim Landesdatenschutz ist man überrascht, hält die Karte aber für unproblematisch. Auch Berlins Datenschützer glauben nicht an „gläserne“ TU-Studenten

VON MARTIN KAUL

Technik soll Dinge vereinfachen, etwa lahme Bürokratie schneller machen. Wenn die technologische Entwicklung aber zu schnell für die Bürokratie ist, dann führt das bisweilen zu Verunsicherung. Zu sehen nicht nur in Berlin, wo der Landesdatenschutzbeauftragte erst durch die taz von der Verwendung einer Radiofrequenztechnologie auf dem elektronischen Studentenausweis an der Technischen Universität (TU) erfahren haben will – und die Uni keine Schuld bei sich erkannte.

Auch in Potsdam ist selbige Szenerie nun zu beobachten: Dort verteilt die Uni 16.000 „Potsdamer Universitäts-Chipkarten“ (Puck) mit einem ähnlichen Chip, der mittels Radiofrequenzen – und somit kontaktlos – Daten übertragen kann. Der Landesdatenschutz sei involviert gewesen, so die Uni-Pressestelle.

Frank Jendrow vom Landesdatenschutz Brandenburg sagt hingegen: „Wir wurden nicht offiziell involviert.“ Er findet es „nicht sehr amüsant, von solchen Projekten immer aus der Zeitung erfahren zu müssen“, und prüft die Technologie der Chipkarte derzeit „aufgrund der Eingabe eines Studenten“. Entwarnung gibt er dennoch. „Wenn die Technologie so ist, wie wir es derzeit wissen, dann sind die Anwendungen datenschutzrechtlich unbedenklich“, sagt Jendrow über die Potsdamer Karte.

Die neuartigen Chipkarten ermöglichen verschiedenste technische Möglichkeiten – von der elektronischen Rückmeldung über die Bibliotheksnutzung bis zur Geldkartenfunktion. So viel Datentransfer mag zwar nicht jeder Studierende, die Landesdatenschutzbeauftragten sehen aber keinen Grund zur Sorge. Während in Brandenburg erste Anwendungen in diesem Semester bereits starten, herrscht auf der „Campuskarte“ der TU Berlin noch Funkstille – verschiedene technische Optionen sind mit der Plastikkarte zwar möglich, werden aber bisher noch nicht genutzt.

Auch Berlins stellvertretender Landesdatenschutzbeauftragter Hanns-Wilhelm Heibey sieht in der Campuskarte keine Gefahr für die Privatsphäre von Studierenden und Mitarbeitern. Er hatte die Campuskarte erneut geprüft, nachdem die taz berichtet hatte, dass die TU einen Plastikausweis verteilt, auf dem sich ein Chip mit der Radiofrequenz-Technologie (RFID) befindet. Zwar kannte Heibey die Karte, von der RFID-Technologie darauf hatte er aber noch nichts gehört. Gerade die Möglichkeiten dieser Technik verunsicherten die Studenten. Heibeys Fazit nun: „Den Unterlagen nach werden die Anwendungen, die zum Einsatz kommen, unkritisch sein. Solange die RFID-Technologie nirgendwo zum Einsatz kommt, muss man sich keine Sorgen machen.“ Sobald konkrete Anwendungsbereiche feststünden, werde man sich wieder mit der TU zusammensetzen. Fragen wie die nach der Art der Protokollierung von erfassten Kennnummern ließen sich dann am konkreten Beispiel erörtern, so Heibey.

Grund zur Aufregung sieht er nicht mehr: Sicher sei, dass dezentral registrierte Kontakte der Chipkarten – etwa bei der Zugangskontrolle, in der Bibliothek oder dem Immatrikulationsbüro – nicht zentral zusammengeführt werden könnten. Vor dem gläsernen Studenten müsse man sich somit nicht fürchten.

Auch die Technologien der Erfassung seien nunmehr datenschutzrechtlich geprüft und entsprächen den geltenden Standards. Außerdem müssten die RFID-Chips vor ihrer Anwendung noch mal gesondert präpariert werden – und das gehe nicht unbemerkt.

Thema bleibt die RFID-Karte für Vize-Datenschutzbeauftragten Heibey dennoch. In seinem Bericht an die TU empfiehlt er der Universität, die späteren Möglichkeiten der Karte deutlicher zu vermitteln. Dazu sei die Uni zwar nicht gesetzlich verpflichtet, solange noch keine Anwendungen zum Einsatz kämen, wünschenswert wäre es dennoch.

Ein Fazit lautet: TU-Studierende können sich erst mal beruhigen – und müssen die ominösen Kärtchen nicht in der Mikrowelle vernichten. Solche Vorschläge kursieren derzeit im Internet, um sich gegen die unbekannte Technologie zu schützen. Sie führen eher zu gesundheitsschädlicher Plastikschmelze, als dass sie ungewollten Datenentzug vermeiden.