„Noch nicht so gut“

Bei „Rund um Köln“ rollt der ehemalige Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich gemütlich mit dem Hauptfeld und als 64. ins Ziel. Bei den Experten wirft das die immer gleichen Ullrich-Fragen auf

AUS KÖLN DANIEL THEWELEIT

Das seltsame Spiel läuft Jahr für Jahr nach demselben Muster ab. Sind die Wangen ein wenig magerer als sonst zu dieser Jahreszeit? Wie rund ist der Tritt an den kleinen Bergen, die er im Frühjahr überquert? Welche menschlichen und organisatorischen Schwierigkeiten muss er diesmal bewältigen? Was sagt er selber, welche Wahrheiten stecken in seinen Worten? Und dahinter steht immer die ebenso große wie bange Frage: Kann Jan Ullrich Lance Armstrong im Sommer bei der Tour de France schlagen?

All dies beschäftigte die deutsche Radsportszene selbstredend auch am Ostermontag weit mehr als der Ausgang des Rennens „Rund um Köln“, (das übrigens Erik Zabel im Sprint gewann). Fans, Journalisten und Organisatoren, alle stürzten sich auf den scheuen Ullrich, der auch noch Vorjahressieger war und in Köln damals nach eigener Aussage seine „Wiedergeburt als Rennfahrer“ erlebt hatte. Diesmal fuhr er unauffällig mit, erreichte das Ziel als 64. mit fast sechs Minuten Rückstand und musste nach seinem ersten Saisonauftritt auf deutschem Boden einräumen, dass die Form „noch nicht so gut“ ist wie im Vorjahr.

Einige Beobachter stimmt das nachdenklich, denn in der vergangenen Saison hatte er mit den finanziellen Schwierigkeiten seines Teams Coast, der folgenden Wettkampfsperre und der eiligen Neugründung der Bianchi-Mannschaft weitaus mehr Probleme zu bewältigen als in diesem Frühjahr. „Es scheint, Jan hat in der bisherigen Vorbereitung wieder zu wenig gearbeitet. Er hat zwar noch zwei Monate Zeit bis zur Tour, aber Lance Armstrong zu schlagen wird diesmal schwerer als 2003“, bemerkte Radsportlegende Eddy Merckx in Köln. Auch Bjarne Riis, der Chef des dänischen CSC-Teams, der Ullrich gerne in seine Mannschaft gelotst hätte, findet, dass sein ehemaliger Weggefährte zu Telekomzeiten zu wenig von sich fordert. Riss sagte: „Jan hätte Paris–Roubaix fahren sollen statt Rund um Köln. Dort holt man sich die nötige Wettkampfhärte, nicht in Köln.“ Möglicherweise hat Ullrich in der behaglichen Umgebung des perfekt organisierten Team T-Mobile noch zweimal auf die Snooze-Taste des Weckers gedrückt, bevor er sich unter die kalte Dusche stellt, mit der nötigen Disziplin trainiert und harte Rennen fährt. Vielleicht tut ihm das warme T-Mobile-Nest doch nicht so gut.

Rudy Pevenage, Ullrichs persönlicher Berater, sieht das natürlich anders. „Ich glaube nicht, dass Jan eine schwierigere Umgebung oder ein schwereres Programm helfen würde“ sagte er. „Man weiß nie so genau, wann die Form kommt. Das kann in einer, in zwei oder in drei Wochen einfach so passieren“, so der Belgier. Der Star versucht ebenfalls, all die Skeptiker zu beruhigen – und sicher auch ein wenig sich selbst. „Es geht nach oben, niemand muss sich Sorgen um mich machen. Ich bin absolut im Limit“, versuchte Ullrich Glauben zu machen. Der Sieg von Köln 2003 war indes auch psychologisch von immenser Bedeutung. „Das war für die Moral unglaublich wichtig“, erzählte Ullrich, damals entwickelte sich ein beflügelnder Optimismus. Diesmal könnte eine gegenteilige Atmosphäre entstehen.

Zumal sich weiterhin keine Lösung in jenem Konflikt andeutet, der Ullrichs Suche nach der Form im laufenden Jahr belastet. Auch in Köln musste Rudy Pevenage sich fern halten von den T-Mobile-Fahrzeugen, er fuhr als Gast im Auto des Veranstalters Artur Tabat mit. Zwar traf sich Pevenage am Abend mit T-Mobile-Teamchef Walter Godefroot, um den bitteren Streit beizulegen, einen echten Fortschritt brachte dieses Treffen aber nicht. „Es war ein sehr gutes Gespräch“, sagte Pevenage am gestrigen Dienstag. „Beide Seiten werden kompromissbereiter, aber es bleibt dabei: Ich bin persönlicher Berater von Jan Ullrich und habe mit T-Mobile nichts zu tun.“ Eine kryptische Antwort ist das, die nicht darauf schließen lässt, dass man sich näher kommen konnte.

Dabei hatte auch Ullrich noch vor dem Rennen gehofft, dass „es möglich ist, dass Rudy vielleicht gelegentlich im Auto mitfährt“. Godefroot aber bleibt in dieser Sache hart. Gut nur, dass es mit menschlichen Konflikten bisweilen ist wie mit Ullrichs Form: Mit einem Mal ist der Durchbruch da.