37 Grad Celsius

Babyklappen und anonyme Geburten sind eine rechtliche Grauzone. Dementsprechend gibt es kaum Statistiken über den Gebrauch von Babyklappen – aber nach wie vor Diskussionen über ihren Sinn

Die Zahlen variieren von Land zu Land: In Mecklenburg-Vorpommern gibt keine amtliche Statistik der anonymen Geburten und Babyklappen-Kinder. Auch in Schleswig-Holstein existiert „aufgrund des Schutzgedankens für Betroffene“ keine verbindliche Regelung. Hier schätzt man aber, dass 2007 drei Babys abgelegt worden sind. Auch im niedersächsischen Landesamt für Soziales liegen keine Zahlen vor. Allein in Hamburg sind Träger und Kliniken zur Meldung an das Jugendamt verpflichtet. Nach Angaben der Sozialbehörde gab es 2008 eine anonyme Geburt, abgelegte Babys wurden nicht gemeldet. UG

VON UTA GENSICHEN

Die Grauzone ist beheizt – 37 Grad warm, um genau zu sein. Im Leben eines heimlich geborenen Babys ist das behagliche Kinderbettchen einer Babyklappe wahrscheinlich noch ein Wohlfühlmoment.

Statistiken darüber, wie viele Mütter ihre Kinder in eine Klappe legen, sind selten. In Schleswig-Holstein etwa wurden 2007 drei Babys in Klappen gelegt. Da es keine Meldepflicht für die Einrichtungen gibt, könnten es aber auch mehr gewesen sein. Verzwickt wird die Sache, wenn Behörden und Träger von Babyklappen zu unterschiedlichen Zahlen gelangen. So gibt die Hamburger Sozialbehörde an, dass 2008 nicht ein Kind in eine der fünf hiesigen Babyklappen gelegt wurde.

Der Hamburger Verein SterniPark indes, der allein zwei Klappen betreibt, hat vier Kinder in diesem Jahr gezählt. Alle Mütter hätten sich nach kurzer Zeit gemeldet und ihre Daten angegeben, sagt Leila Moysich vom SterniPark. In der Sozialbehörde ist man verwundert: „Der Träger muss normalerweise sofort das Familiengericht oder das zuständige Jugendamt informieren“, sagt eine Sprecherin. Und für 2008 liege kein offizieller Eintrag über ein Findelkind vor.

Der Verein SterniPark hat als erste deutsche Einrichtung vor acht Jahren Babyklappen eröffnet, viele weitere Initiativen und Kliniken folgten diesem Beispiel. „Seitdem es das Projekt Findelbaby gibt, gab es praktisch keine Kindesaussetzungen in Hamburg mehr“, sagt Geschäftsführer Jürgen Moysich.

Kritiker allerdings bezweifeln, dass Babyklappen jene Frauen erreichen, die ihr Neugeborenes aussetzen oder sogar töten. Nach Angaben des Deutschen Bundestages liegen denn auch keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, dass in Regionen mit Babyklappen weniger Kinder getötet oder ausgesetzt werden. „Diejenigen Mütter, die ihre Babys umbringen, sind in einer ganz speziellen psychischen Situation“, sagt Christiane Thein, Chefärztin der gynäkologischen Abteilung der Asklepios Klinik Wandsbek.

Die Babyklappe dort wurde 2002 in Babyhilfe umbenannt und liegt an einem Seitenflügel des Klinikums. Die etwa 80 Zentimeter breite Stahlklappe kann nur einmal geöffnet werden – kurz darauf wird sofort ein Alarm ausgelöst und innerhalb weniger Minuten ist ein medizinisches Team zur Stelle.

Trotzdem wird die Klappe in Wandsbek jeden Tag kontrolliert. Seit drei Jahren jedoch hat keine Mutter mehr ihr Neugeborenes in das Bettchen gelegt. Besser noch als Babyklappen findet Thein dann schon die anonyme Geburt: „Weil man sich hier auch um die Frau kümmern kann.“ In den vergangenen zwei Jahren wollte allerdings nur eine Patientin in Wandsbek ihr Kind anonym zur Welt bringen. Davor wurde sie von anderen Kliniken immer wieder weggeschickt.

„Krankenhäuser sind nicht verpflichtet, anonyme Geburten anzubieten“, so die Ärztin. Wegen der rechtlichen Grauzone, sagt sie. Zu Recht, wurde doch bereits der gynäkologische Leiter einer Hamburger Klinik wegen des Verdachts auf Personenstandsfälschung angeklagt. Gegen drei Mütter wurde gleichzeitig wegen Verletzung der Unterhaltspflicht ermittelt. Kritiker stören sich aber vor allem an der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Babys. „Das Kind hat schließlich ein Recht darauf, seine Eltern zu kennen“, sagt Christiane Thein.