berliner szenen Hochglanzpoliert

Weihnachtsmann Koons

Manni dachte schon: Jeff Koons als Weihnachtsmann, das passt. Aber das war bloß ein Arbeitsloser. Der Pelzbesatz seiner Mütze war an einigen Stellen aufgerieben und der angeklebte Bart hatte ein Brandloch. Biene drückte ihm zwei Euro in die Hand, bevor sie durch die Drehtür gingen.

Verdrehte Welt, dachte Manni. Jeff Koons, der in Interviews sagte, wie sehr er es schätze, seine Ideen und Entwürfe von einem Heer von Assistenten ausführen zu lassen, kam Manni vor wie ein höflicher Collegeboy, der in seinem Keller kleine Kinder und Tiere missbrauchte, zerschnitt, neu zusammensetzte und später aufaß. Zur Strafe musste er sein Leben lang überdimensionierte Grinse-Kunst machen, hochglanzpolierte Ostereier, groß wie Autos und zum Schreien schön, wie eine grünliche Dame neben Manni ausrief. Manni wäre gern mit einer Harke über diese Oberflächen gegangen.

Die Folterkammer befand sich im Untergeschoss: noch mehr Arbeitslose, die als Aufpasser verkleidet herumstanden und Gesichter zogen, als befänden sie sich im Todestrakt in Huntsville, Texas und nicht in der größten Klee-Schau seit mindestens 2.000 Jahren, und Raufasertapeten und Vertikaljalousien und sanfte Untermalung mit klassischer Musik. Da fühlen sich die Leute wie zu Hause, dachte Manni. Dummerweise kriegte Biene in den schummrigen Räumen einen klaustrophobischen Anfall und hätte in ihrer Raserei beinahe eins von Klees Fischbildern von der Wand gerissen. Ein kostümierter Arbeitsloser hechtete herbei, Biene haute ihm die schwere Louis-Vuitton-Handtasche mit Murakamis quietschebunten Schriftzeichen mit einer Wucht vor die Brust, dass ihm die Luft wegblieb, und Manni dachte, Grinse-Kunst hat was für sich, so gesehen. SASCHA JOSUWEIT