heute in bremen
: „Gemeinsam lernen war gut“

Ehemalige der Bremer Waldorfschule treffen sich wieder

taz: Frau Bartel, wenn Sie sich als Waldorfschülerin outen, welche Reaktionen gibt es?

Ulrike Bartel, Ärztin und ehemalige Waldorf-Schülerin (Abitur 1999): Meistens mit großem Interesse, weil es für viele eben fremd ist.

Keine Sprüche über Eurythmie und Wachsmalfarben?

Nein, das war vielleicht vor zehn Jahren noch so, hat sich aber geändert, weil viele Leute Waldorfschulen mittlerweile als Alternative für ihre Kinder sehen.

Aber die Vorurteile kennen Sie auch, oder?

Natürlich. „Da gibt es keine Zensuren, deshalb kann das ja nichts taugen“, „da wird nur getanzt“, „das ist eine Blümchen- und Baumschule“.

Und die Mittelschichts-Kinder bleiben unter sich.

Dieses Klischee der heilen Welt gibt es auch. Dabei ist die Mischung von Anfang an sehr bunt und natürlich setzt man sich später auch mit dem Weltgeschehen auseinander. Dass kleine Kinder in einem geschützten Raum lernen können, finde ich richtig.

Haben Sie sich jemals an eine andere Schule gewünscht?

In der zehnten Klasse habe ich ernsthaft einen Schulwechsel erwogen und mal eine Woche an einem Gymnasium hospitiert, weil ich mit der Situation und dem Lerntempo an meiner Schule unzufrieden war. Ich habe dann zu meiner Erleichterung festgestellt, dass die Schüler dort nur in einem Fach weiter waren als wir.

Warum waren Sie unzufrieden?

Wir wurden ja alle gemeinsam unterrichtet, und das hieß, dass Rücksicht auf diejenigen genommen wurde, die langsamer lernen. Die Schüler, die schneller lernten, wurden da manchmal ungeduldig.

Viele wehren sich heute gegen die Gemeinschaftsschule, damit die leistungsstarken Kinder sich nicht langweilen.

Für mich ist das gemeinsame Lernen eine der wichtigsten Erfahrungen, die ich an der Waldorfschule gemacht habe. Und dass ich Rücksicht auf andere nehmen und mich arrangieren musste, das war gut. In so einem ausgeprägten Klassenzusammenhalt lernt man sehr viel über den Umgang mit anderen.

Ist der Zusammenhalt noch da?

Ja, ich finde schon. Für das Ehemaligentreffen habe ich für meine Klasse 20 Anmeldungen bekommen. Das ist ein Drittel all derjenigen, die diese Klasse im Laufe der Zeit mal besucht haben.

Interview: eib

15.30 Uhr, Waldorfschule Touler Straße