Jahres-Ausklang

Von Klangforschung bis Zukunftspop: Heute und morgen veranstaltet die Hörbar ihr „Ausklangfestival“

Als „Instrument“ diente dem Hamburger Komponisten und Klangkünstler Asmus Tietchens ein in Längsrichtung langsam gespaltener Baumstamm. Die dabei im Inneren des Stammes entstandenen, mit bloßem Ohr nicht hörbaren Geräusche nahm der 59-Jährige mit empfindlichen Kontaktmikrofonen auf. Nach extensiven Filterungen und allerlei anderen technischen Maßnahmen erhielt er so eine Vielzahl kompositorisch relevanter Strukturen. Nach rein gestalterischen Gesichtspunkten richtete Tietchens dann in den drei Teilen seines Werks „Trois Dryades“ ein Geräusch- und Klangkontinuum mit kaum noch wahrnehmbaren Verweisen auf das Ausgangsmaterial ein.

Zum zweiten Mal nach 2003 gewann er damit vor zwei Jahren den vom Südwestrundfunk gestifteten Karl-Sczuka-Preis – mittlerweile die wichtigste Auszeichnung für avancierte Radiokunst. Denn das „Zusammenspiel von vibrierenden Klangflächen und scharfkantigen Klangimpulsen, das Changieren zwischen konkret und abstrakt, der Wechsel zwischen kontemplativer Weite und physischer Bedrängung“ böten ein „Hörerlebnis von besonderem Reiz und Anspruch“, befand die Jury.

Wer sich in Hamburg auf die Suche nach derart reizvollen Hörerlebnissen jenseits gewohnter Konzertkost begeben will – oder auf die Suche nach Asmus Tietchens selbst (siehe Scherenschnitt) – findet jeden Mittwochabend in der Bar des B-Movies einen guten Einstiegspunkt: in der Hörbar, dem zentralen Treffpunkt von KonsumentInnen und ProduzentInnen experimenteller Musik. Hier spielt man sich gegenseitig die eigenen Werke vor, tauscht Infos oder plant gemeinsame Projekte.

Seit 1995 veranstaltet die Hörbar jedes Jahr zwischen Weihnachten und Silvester ihr „Jahresausklangfestival“. An zwei Abenden hintereinander treten Künstler oder Gruppen im Kinosaal auf, Labels, die sich mit Herstellung und Vertrieb experimenteller Musik beschäftigen, präsentieren und verkaufen ihre Produkte.

Den Auftakt macht heute Abend der „Gagarin Records“-Chef und Post-Dada-Elektro-Anarcho Felix Kubin. Von „Napalmed“ aus Tschechien gibt es im Anschluss Jazz-Noise-Free-Industrial-Improvisation, von „Treutonia Capra“ elektronisches Kunstlied nebst Theremin und Gesang. Morgen gibt sich Asmus Tietchens die Ehre, gefolgt von einer audiovisuellen Live-Performance der Italiener „The S. A. D.!“ und Hi-Speed-Pop von „Bruno & Michelle Are Smiling“.ROBERT MATTHIES

Sa, 27. 12. + So, 28. 12., je 20 Uhr, B-Movie, Brigittenstraße 5