urdrüs wahre kolumne: Schweinchen meerumschlungen
Als langjähriges Fördermitglied der Freiwilligen Feuerwehr ersuche ich die Zündelbrüder der atheistischen Glaubensgemeinschaft „Flammender Heide“ in Hamburg, das Flambieren von Kirchen zu unterlassen – sogar dann, wenn Hauptpastor Christoph Störmer seine Predigt am Zitat des Propheten Obama – „Change. Yes we can!“ – entwickelt und dazu mit der Lebensnähe einer theologischen Vollmeise ausdrückt: „Weihnachten ist Zwischenzeit und will unsere Synapsen aus dem Stand-by-Modus erwecken und uns anstiften!“ Junge Leute sollten sich lieber im Tierschutz engagieren, Spielplätze nach Glasscherben absuchen und Kredithaie oder auch Kai Diekmann molestieren!
Stammbesucher meiner Lesungen und Vorträge zur Veredelung des Menschengeschlechts wissen, dass man mit einer aktuellen Austrittserklärung aus staatstragenden Parteien und kriminellen Strukturen wie dem ADAC, den Hells Angels oder dem Verband Deutscher Makler nicht nur freien Eintritt erhält, sondern auch noch ein Freigetränk. Nachdem der Autofahrerclub jetzt gegen die Einführung der Umweltzone in Bremen agitiert, wird die Prämie für die Verabschiedung speziell aus dieser Gang verdoppelt: also zwei Drinks für lau und die Gratis-Show in Begleitung nach eigener Wahl! Was hindert dich noch daran, den längst gefassten guten Vorsatz endlich wahr zu machen?
Während sich der taz nord-Gesellschaftsreporter darüber mokiert, dass der liebenswürdige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen zur Lübecker Zweitpremiere der „Buddenbrooks“ mit seinem leicht angeknitterten Sakko nicht recht ins glamouröse Ambiente passte, sehe ich gerade darin eine menschlich angenehme Geste und vermag deshalb auch die Kritik nicht daran teilen, dass Carstensen den Film schon vor Sichtung positiv rezensierte, denn natürlich wird der Fremdenverkehr befördert, das Weltkulturerbe und überhaupt: Schleswig-Holstein! „Denn von der Schnauze bis zum Wedel / ist beim Schweinchen meerumschlungen alles edel.“
Natürlich soll Bremen entlassenen Guantánamo-Häftlingen Asyl gewähren, aber wenn der Grünen-Vorsitzende Heinemann zur bremischen Mittäterschaft an Murat Kurnaz’ Folterhaft anmerkt: „Das Land hätte von Anfang an besonnener agieren müssen“, und EU-Lady Trüpel damenhaft fordert, die Aufnahme Inhaftierter „in Erwägung zu ziehen“, dann wünscht man sich ein bisschen vom alten Pathos „Sieg im Volkskrieg / Lastwagen für Zimbabwe“ zumindest von den früheren KBW-Genossen unter den grünen Kadern zurück.
Auch in meinem Heimatstädtchen Rinteln gibt es den einen oder anderen bekennenden Schwulen und ein besonders sanftmütiger Vertreter meinte anlässlich des jüngsten Homophobie-Falls vom Oberhirten Benedikt: „So ein Mann. So schöne Schuhe. Immer im allergeilsten Fummel. Und dann so eine Klemmschwester – da müsste doch mal jemand richtig auspacken, wie der das so treibt.“ Hoffentlich bleibt uns dieses zwangsweise Coming Out erspart, denn sonst gibt es am Ende noch weniger Liebe unter den Menschen – fürchtet jedenfalls ULRICH „Eros“ REINEKING
PS: Das alte Jahr zu Ende geht / das Neue kommt – schlag zu, Prolet!
Autorenhinweis: ULRICH REINEKING, allenfalls in Maßen bestechlicher Chronist der Welt, die uns umgibt, riefe niemals zur Gewalttat auf.
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