Der Maastricht-Vertrag ist ein Papiertiger

Zu europäischen Sanktionen gegen Deutschland oder Frankreich wegen der Haushaltsdefizite wird es nicht kommen

BRÜSSEL taz ■ Frankreich, das sich in der gleichen Lage wie Deutschland befindet, muss ein Ultimatum erfüllen. Innerhalb von vier Monaten soll der französische Finanzminister Francis Mer einen Plan vorlegen, wo er die fehlenden Milliarden für das Haushaltsjahr 2004 einzusparen gedenkt, um das Defizit im Staatshaushalt unter drei Prozent zu drücken. Gelingt dies nicht, droht am Ende eines langen Verfahrens eine Strafe von bis zu 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – für Frankreich wären das 7,5 Milliarden Euro.

Das klingt dramatisch, doch es wird nicht dazu kommen. Denn im Rat der nationalen Finanzminister müsste eine Zweidrittelmehrheit zusammenkommen. Da aber andere Länder wie Deutschland und Portugal im selben Boot sitzen, werden sie keine Maßnahmen beschließen, die sie demnächst selber treffen könnten.

Vertreter der Niederlande, Spaniens und Dänemarks haben am Rande des Ecofin-Treffens in Luxemburg geklagt, das mächtige Frankreich werde von der EU-Kommission mit Samthandschuhen angefasst. Schweigend gehe sie über die desolate Wirtschaftslage des großen EU-Mitglieds für das laufende Haushaltsjahr hinweg. Erst 2004 müsse Frankreich damit beginnen, seinen Haushalt zu konsolidieren. Dagegen habe Währungskommissar Pedro Solbes den Deutschen schon für das laufende Jahr auferlegt, seine Schulden um ein Prozent zu reduzieren. Portugal solle gar 1,5 Prozent einsparen.

Doch in Wahrheit scheut Solbes eine direkte Konfrontation in jedem Fall. Denn seine Möglichkeiten, die Maßnahmen durchzusetzen, sind gering. Auch wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass Deutschland seine Zusagen nicht einhalten kann, wird das keine ernsten Konsequenzen haben. So wie blaue Briefe nur verschickt werden, wenn der Finanzministerrat zustimmt, greifen auch die härteren Maßnahmen des Stabilitätspaktes nur in diesem Falle.

Mit Zweidrittelmehrheit kann der Rat eine unverzinsliche Einlage „in angemessener Höhe“ verlangen, bis das übermäßige Defizit behoben ist. Geldbußen wären die letzte Stufe. Dass es dazu nicht kommt, dafür sorgen die drei großen Schuldenmacher Deutschland, Frankreich und Italien, die im Rat mit je zehn Stimmen das mit Abstand größte Gewicht auf die Waage bringen.

DANIELA WEINGÄRTNER