NRW wird alt, arm, ausländisch

Die Bevölkerungsprognose für Nordrhein-Westfalen zeigt: In Zukunft fehlen vor allem arbeitende junge Menschen. Während das Ruhrgebiet schrumpft, ziehen immer mehr Menschen aufs Land

AUS DÜSSELDORFANNIKA JOERES

Minister Wolfram Kuschke sieht überall nur Chancen. „Nirgendwo steht geschrieben, dass wir eine bestimmte Bevölkerungsentwicklung brauchen“, so der Staatskanzlei-Chef gestern in Düsseldorf. Sein Optimismus tut Not: Die von ihm vorgestellte neueste Bevölkerungsprognose des Landesamts für Statistik beschreibt einen dramatischen Wandel. Im Jahr 2040 werden noch etwa 16,8 Millionen Menschen in NRW leben, heute sind es über 18 Millionen. „Wir müssen nur damit umzugehen lernen“, meint Sozialdemokrat Kuschke.

Dramatischer als der Schwund ist aber die erwartete Entwicklung innerhalb der Bevölkerung: Sie wird vor allem aus SeniorInnen bestehen. Heute ist jedeR vierte EinwohnerIn in NRW über sechzig, in Zukunft wird es jedeR dritte sein. Die über 75-Jährigen machen den größten Sprung: Sie legen um 75,5 Prozent zu und bilden dann 14 Prozent der Gesamtbevölkerung. „Das ist doch positiv, wenn Menschen älter werden.“

Nur gibt es dann weniger Junge, die arbeiten und in die Rentenkassen einzahlen können – auf 100 arbeitende Menschen kommen 2040 mindestens 63 Ruheständler, heute sind es nur 44. „Das macht deutlich, welches Potenzial in der Gruppe der Älteren steckt“, findet Kuschke.

Potenzial haben auch die ländlichen Kreise in NRW, sie werden im Gegensatz zu den meisten Großstädten Menschen hinzugewinnen können. Der Kreis Rhein-Sieg und die Stadt Paderborn sollen bis 2020 um etwa 12,5 Prozent wachsen. Unna, Steinfurt und Borken sollen knapp 10 Prozent mehr EinwohnerInnen begrüßen können. Im Ruhrgebiet sind die Vorzeichen genau andersherum, das Revier wird jedeN ZehnteN verlieren. „Ich freue mich schon auf die politischen Handlungsoptionen“, sagt der Minister.

Die sind allerdings beschränkt. Kuschke verwies vor allem auf die Wirtschaft, die jetzt ausbilden müsse, um nicht in wenigen Jahren vor einem Arbeitskräftemangel zu stehen. Auch lobte er die Beschlüsse der Landesregierung, das Abitur schon nach zwölf statt bisher 13 Schuljahren zu ermöglichen und die Studienzeiten durch ein sechssemestriges Bachelor-Abschluss zu verkürzen. Kuschke: „Wir führen bundesweit.“

Auch Frauen sollen den Populationsmangel ausgleichen. „Wir können nicht mehr auf die produktive Kraft gut ausgebildeter Frauen verzichten“. Vor allem aber sollen sie Nachwuchs produzieren: „Durchschnittlich 1,4 Kinder pro Frau sind einfach zu wenig.“ Ganztagsschulen und Kinderkrippen sollen die Geburtenrate erhöhen. „Gerade jetzt ist die Chance für dieses wichtige Thema.“