Bund subventioniert Revierlöhne

Bundesminister Stolpe ist für staatliche Lohnzuschüsse zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit – auch im Ruhrgebiet. Hier stößt die Idee auf Kritik: „Netz von Sonderwirtschaftszonen bringt nichts“

VON MARTIN TEIGELER

Jetzt soll das Ruhrgebiet doch eine Sonderwirtschaftszone (SWZ) werden. Der für Ostdeutschland zuständige Bundesminister Manfred Stolpe (SPD) will staatliche Lohnzuschüsse zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit in ganz Deutschland ermöglichen. Der Minister zog gestern seinen Vorschlag zurück, nur im Osten Niedriglohnsektoren einzuführen. Es müsse nicht nur geschaut werden, was für den Osten sinnvoll sei, sondern welchen Bedarf es in ganz Deutschland gebe. Problemzonen gebe es im Osten und im Westen, bekräftigte der Minister. Dabei nannte er als Beispiel das nördliche Ruhrgebiet.

Damit Langzeitarbeitslose wieder den Einstieg in den Arbeitsmarkt fänden, könnten zum Beispiel neue Zuschüsse, Kombilöhne oder Eingliederungszuschüsse gezahlt werden, sagte Stolpe. Zuvor hatten Politiker und Gewerkschafter ähnliche Vorschläge gemacht. NRW-CDU-Chef Jürgen Rüttgers schlug Steuervergünstigungen für alle Gebiete vor, denen es wirtschaftlich schlecht gehe. Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Klaus Wiesehügel, verlangte Investitions-Sondergebiete fürs Revier.

Im Revier selbst stoßen die Ideen der Politiker auf Skepsis. „Ein Netz von Sonderwirtschaftszonen in ganz Deutschland bringt nichts“, sagt der Ökonom Gerhard Bosch vom Gelsenkirchener Institut Arbeit und Technik. Ein solches System von Sonderzonen würde den Standortwettbewerb innerhalb Deutschlands nur verschärfen. „Das hätte schwerwiegende Folgen für unser Steuersystem, für das Tarifvertragssystem“, so Bosch zur taz. Auch Thomas Rommelspacher, Ruhrgebietsexperte der grünen Landtagsfraktion, lehnt SWZ im Revier ab. „Die Diskussion ist doch Asbach“, so der Abgeordnete aus Essen. Das Konzept habe sich schon in den 80er Jahren als „ökonomischer Quatsch“ erwiesen. „Das Revier braucht einen langen Atem und keine kurzfristigen Umverteilungseffekte.“ Der grüne Fraktionskollege Rüdiger Sagel forderte gestern statt einer SWZ ein Sonderprogramm des Bundes für das Revier.

Gelsenkirchens Rathauschef Oliver Wittke (CDU) ist hingegen für SWZ – wenn sie auch außerhalb Ostdeutschlands eingerichtet werden. „Man muss strukturschwachen Regionen einen Standortvorteil verschaffen.“ Über geeignete Maßnahmen soll auf der Gelsenkirchen-Konferenz beraten werden. Wittke: „Wir brauchen keine Gießkanne, sondern einen Wasserschlauch.“