Allgegenwärtige Apokalypse

Sezierende Blicke, pausenlos: Sibylle Berg liest in Hamburg und Bremen aus ihrem neuen Roman „Ende gut“, der vom künftig ungemütlichen Europa handelt

Ob ihr neues Buch Ende gut nun als politischer Roman oder als Weltuntergangsgeschichte zu lesen sei, hänge, so Sibylle Berg, davon ab, ob man „die Vision, dass Europa ein unsicherer, ungemütlicher Ort wird, irreal findet“. Um dieses Buch zu schreiben, war leider keine hoch entwickelte Phantasie erforderlich: Man musste einzig das Hinschauen aushalten.

Letzteres hat Berg schon lange zur Perfektion getrieben, und dies beweist sie auch in ihrem neuen Roman, den sie jetzt in Hamburg und Bremen vorstellt. Der Blick, den sie durch ihre Ich-Erzählerin „so um die 40“ auf die Welt wirft, ist von gewohnt sezierender Art. Unerbittlich sind die Skizzen, die in ihrer Zuspitzung die wunden Punkte treffen. Von diesem scharfen Blick zeugen insbesondere die ersten hundert Seiten: Von den düsteren Betrachtungen der Protagonistin und ihrer Umgebung lenkt kein Plot ab. Berg führt die Verhaltensweisen und Reden von Haus- und Karrierefrauen, jungen und blutleeren 40-Jährigen, Medienmachern, Arbeitslosen vor, stellt deren Ängste und Bedürfnisse aus. Von Überdruss und Langeweile ist oft die Rede, von der Sinnlosigkeit jeder Regung. Bergs Stil aber bringt eine Atemlosigkeit in den Text, der den Leser in diese niederschmetternde Welle größtmöglicher Ernüchterung hineinzieht. Die Wahl hat man dabei nur zu Beginn: Entweder man will das alles nicht hören und sich schon gar nicht da berühren lassen, wo Berg die schwärzesten Gedanken, die einem bei der Lektüre zuweilen kommen mögen, als unumstößlich festschreibt. Oder man lässt sich überrollen und wird mit der Beobachtungsgabe und dem trockenen Witz der Autorin belohnt.

In „O-Töne“ zum Beispiel lässt sie ihre Protagonisten selbst sprechen, sich in einer grotesken Mischung aus Selbstentblößung und Komik verheddern. Die Apokalypse, bei Berg immer schon am Rande der Gegenwart angesiedelt, bricht in Gestalt von Terroranschlägen und Seuchen in die Welt der Erzählerin ein. Mit der Flucht und dem Überlebenswillen der Figuren kommt Bewegung in den Text. Und manchmal ein untypischer Ton: eine Art Sehnsucht darf sich ohne nihilistische Bemäntelung andeuten. Ein stummer Mann wird der Protagonistin zum vertrauten und schließlich erwünschten Begleiter durchs Chaos. Am Ende wird es ihr ganz gut gehen, sogar mit ihm.

Sie sei nicht der konservativen Haltung gefolgt, erst nach einem totalen Zusammenbruch könne Neues und Gutes kommen, betont Berg. Als Autorin dürfe sie ihre Figuren belohnen, aber der „Wunsch nach Verbesserung und Veränderung bleibt eine aussichtslose romantische Utopie“.

Carola Ebeling

Sibylle Berg: „Ende gut“ Köln 2004, 335 S., 19, 90 Euro.Lesungen: 18.4., 20.30 Uhr, Bremen (Junges Theater/Schwankhalle). 19.4., 19 Uhr, Hamburg (Fliegende Bauten)