in fußballland
: Einladung zum Doppelpass

CHRISTOPH BIERMANN über Fußballjournalisten – und was sie tun müssen, um ins DSF eingeladen zu werden

Christoph Biermann, 43, liebt Fußball und schreibt darüber

Lokomotivführer und Astronauten sind out, immer mehr junge Menschen wollen stattdessen Fußballjournalisten werden. Schließlich verspricht der neue Traumberuf die Nähe zu den Stars auf dem Rasen, den Glanz großer Spiele und die Bewunderung der eigenen Freunde. Doch worauf muss man achten? Und wie macht man als Fußballjournalist so auf sich aufmerksam, dass man sonntags auch zum Diskutieren ins Fernsehen eingeladen wird? Wer sich an folgende Ratschläge hält, ist auf dem richtigen Weg.

Fordern Sie Konzepte!

Irgendwo geht immer was schief. Mannschaften geraten unversehens in den Abstiegskampf, werden doch nicht Meister oder verpassen andere Ziele. Dann ist der Moment gekommen, Konzepte einzufordern. Sie sollten erwarten, dass diese „griffbereit in der Schublade liegen“. Ist das nicht der Fall, ist es Zeit für „deutliche Worte“, denn die werden jetzt von Ihnen verlangt.

Stellen Sie die Charakterfrage!

Konzepte sind selbstverständlich nichts wert, wenn es an Charakter fehlt. Und wo es an Punkten mangelt, ist dieses Defizit nicht weit. Hilfsbegriffe für Ihre Charakterstudien: Legionär, satt, Millionarios, ohne Herz, etc.

Arbeiten Sie Bereiche ab!

Die Welt des Fußballs ist groß, aber man kann sie übersichtlich parzellieren, in Bereiche nämlich. Arbeiten Sie diese nach und nach ab: Nachwuchsbereich (nicht mit dem Jugendbereich oder Juniorenbereich zu verwechseln), Amateurbereich und Profibereich, Defensivbereich, Offensivbereich und Mittelfeldbereich, Trainerbereich und Transferbereich, um nur einige zu nennen. Und siehe da: Bald schon werden Sie Bereichsleiter.

Fordern Sie Talente!

Mit der Talentforderung liegen Sie nie falsch. Jedem Fan geht das Herz auf, wenn er rotbäckige Youngster statt „abgehalfterte Profis“ sieht. Mit Talenten ist es nämlich wie mit Neuemissionen an der Börse, sie wecken Kursfantasien. Sollte Daimler-Benz dem Start-Up doch überlegen sein: Fordern Sie Routiniers!

Messen Sie den Druck!

Dazu muss man kein Physiker sein, und ein Manometer braucht man ebenfalls nicht. Fragen Sie einfach, ob ein Spieler, Trainer oder eine ganze Mannschaft dem Druck standhält. Mutige werden nicht erst fragen, sondern gleich behaupten, dass es so ist – oder auch nicht.

Fordern Sie Philosophie!

Vorbei sind die Zeiten, in denen Fußballtrainer einfach nur Hütchen aufstellten, ihre Jungs um den Platz scheuchten und sich etwas ausdachten, was sie hinterher als Taktik verkauften. Heute braucht jeder Coach ein so genannte Philosophie. Fragen Sie den Trainer also in aller Strenge nach seiner Philosophie, und keine Angst: man braucht kein Studium dazu. Er wird Ihnen erklären, wie er seine Hütchen aufstellt, die Jungs um den Platz scheucht, und er wird Ihnen eine Taktik zu verkaufen suchen. Fertig ist die Philosophie.

Loben Sie defensive Mittelfeldspieler!

Ein Insidertipp für Fortgeschrittene und solche, die so tun wollen, als wären sie es. Mittelstürmer loben, die viele Tore schießen, das kann jeder. Hymnen auf Heroen zwischen den Pfosten singen und Ehrenkränze für Mittelfeldgenies oder knallharte Verteidiger flechten, das sollten Sie den Anfängern überlassen. Echte Kenner loben die Männer im defensiven Mittelfeld, die von den Fans immer übersehen werden. Wenn Ihnen das zu kompliziert ist:

Fordern Sie Typen!

Ein echter Klassiker des Fußballjournalismus ist die Typenberatung und als solche das kleine Brüderchen des großen „Früher war alles besser“. Früher gab es nämlich noch Typen, die immer „echt“ waren, sich also dufte rüpelhaft benommen haben, „alle fünfe gerade“ und kein Bier stehen ließen. Außerdem haben sie sich „nicht verbiegen lassen“, sind entsprechen unbiegsam über den Platz getrabt, um sich hinterher mit dem Trainer oder sonst wem „die Wahrheiten an den Kopf zu knallen“.

Ach, sehen Sie, da ruft auch schon das DSF an und lädt zum „Doppelpass“ ein.

Von Christoph Biermann ist ein Buch mit seinen taz-Kolumnen erschienen: „Meine Tage als Spitzenreiter. Letzte Wahrheiten über Fußball“, Verlag Die Werkstatt, 9,90 €