ZUNEHMENDE VERLUSTE UNTER DEN US-SOLDATEN KÖNNTEN BUSH NÜTZEN
: Irak ist nicht Vietnam – noch nicht

Da lag der Präsident mal nicht ganz daneben. Die Analogie halte er für falsch, antwortete George W. Bush am Dienstagabend auf die Frage, was er von dem Vergleich zwischen der Lage im Irak und der in Vietnam halte. In der Tat sind die politischen und militärischen Konstellationen völlig unterschiedlich. Zudem sind im Irak Amerikaner wie Iraker glücklicherweise noch sehr weit von Opferzahlen wie einst in Vietnam entfernt. Und in den USA gibt es längst noch nicht den breiten Protest wie damals gegen den Vietnamkrieg.

Doch wer heute über Vietnam spricht, hat in der historischen Rückschau vor allem das Ende des Krieges im Blick. Vergessen wird dabei, dass der Kriegseinsatz in Indochina zunächst ungehindert von medialer Kritik und innenpolitischen Protesten mit Hilfe immer neuer Truppen eskaliert werden konnte. Es dauerte Jahre, bis der unausweichliche Abzug nicht mehr hinausgezögert wurde.

Und so kann man doch einiges von dem Desaster in Vietnam lernen. Auch jetzt gibt es wieder Durchhalteparolen des Präsidenten. „Das Werk der Gefallenen“ müsse vollendet werden, ließ ein pathetischer Bush am Dienstagabend die Amerikaner wissen. Wenn die Befehlshaber im Irak es wünschten, würden die Truppen selbstverständlich aufgestockt.

Längst hat eine Eigendynamik eingesetzt. Jeder Rückschlag wird zur Begründung für das Weitermachen. Militärisch könnten die USA diese Linie unbegrenzt durchhalten. Großmächte verlieren Interventionskriege gegen schwächere Gegner ja nicht deshalb, weil sie im traditionellen Sinne militärisch geschlagen werden. Sie ziehen sich dann zurück, wenn ihr politischer Wille zur Fortsetzung des Krieges gebrochen wird.

Doch trotz wachsender Kritik daheim darf Bush darauf hoffen, dass die steigende Zahl amerikanischer Toter und Verletzter zunächst zu einer Solidarisierung mit den US-Truppen führt – und damit auch zu einer Unterstützung für deren Oberbefehlshaber an den Wahlmaschinen. Diese zynische Rechnung des Präsidenten könnte aufgehen. Ein Erfolg wäre das nur für Bush. ERIC CHAUVISTRÉ