Tony Blair bleibt stur

Britischer Premier lehnt Kriegslügen-Ausschuss ab, aber ein Gremium soll prüfen, ob Regierungsstellen Geheimdienstberichte aufpeppten

LONDON taz ■ Eine unabhängige Untersuchung der offiziellen Gründe für den Angriff auf den Irak wird es nicht geben. Der britische Premier Tony Blair wies die Forderung der Opposition und vieler Labour-Hinterbänkler gestern in der parlamentarischen Fragestunde zurück. Stattdessen soll der parlamentarische Ausschuss für Geheimdienste und Sicherheit (ISC) untersuchen, ob die Regierung die Geheimdienste zwang, ihre Berichte aufzupeppen und die Gefährlichkeit des Irak zu übertreiben.

Dabei geht es vor allem um einen Geheimdienstbericht vom September 2002, wonach der Irak seine Massenvernichtungswaffen binnen 45 Minuten einsatzbereit haben könnte. Angeblich wollten die Geheimdienste diese Behauptung nicht veröffentlichen, da sie lediglich auf einer einzigen Quelle beruhte. Doch Blairs Regierung, die die Nation sowie ihre Hinterbänkler auf dem Parteitag im Oktober von der Notwendigkeit eines Krieges überzeugen musste, habe darauf bestanden.

Der ISC, der die Sache nun untersuchen soll, sei nicht viel mehr als ein Feigenblatt, meinen nicht nur Abgeordnete der Opposition. Der Ausschuss, der von Blair ernannt wird, tagt hinter verschlossenen Türen und legt dem Premier seinen Bericht vor. Der hat das Recht, ihn vor der Veröffentlichung zu zensieren.

Charles Kennedy, Chef der Liberalen, fragte: „Wem soll die Öffentlichkeit denn trauen, wenn die Regierung erklärt, dass sie ihren eigenen Geheimdiensten nicht richtig traue?“ Kennedy bezog sich auf ein BBC-Interview mit Unterhauspräsident John Reid. Er hatte darin von „schurkischen Elementen“ in den Geheimdiensten gesprochen, die diese Gerüchte ausgestreut hätten. Blairs Sprecher erklärte, die Regierung stimme mit Reids Einschätzung überein. Allerdings dürfe man nicht davon ausgehen, dass sich die Geheimdienste per se gegen die Regierung verschworen hätten.

Blair geriet in Bedrängnis, als er mit Aussagen von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld konfrontiert wurde. Der hatte gesagt, Saddam habe seine Waffen möglicherweise bereits vor Kriegsbeginn zerstört. Sein Vize Paul Wolfowitz erklärte die Massenvernichtungswaffen gar zur bequemsten Kriegsbegründung. Die Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen, sagte Blair und spielte die Bedeutung der Massenvernichtungswaffen herunter. „In Wahrheit widerstrebt einigen Leuten die Tatsache, dass es richtig war, in den Krieg zu ziehen, und dass wir diesen Krieg gewonnen haben.“

RALF SOTSCHECK