Urdrüs wahre Kolumne
: Erst saufen, dann schreiben

In der Veröffentlichung von Leserbriefen zeigt sich der Respekt der Redaktion vor der Kundschaft und zugleich in manchen Fällen auch ihre Leidensfähigkeit. In diesem Sinne ist außerordentlich lobenswert, dass die Bremer taz dem mutmaßlich zum aussterbenden Stamm der Liberalinskis gehörenden Fritz-Robert Horstkotte Gelegenheit gab, in den Spalten dieser Zeitung zu mutmaßen, der Bundesparteitag der FDP sei in verwackelter Bildführung aufgenommen worden, um die Versammlung als Treffen von Alkoholikern zu denunzieren. Wisse aber, geschätzter Fritz-Robert, dass Getränkeleute in dieser Stadt und diesem Blatt in Ansehen stehen: In einem Gemeinwesen, da Eiswette, Kirschgeist, Ratskellerweine und die Getränke des Hauses Haake-Beck sozusagen Verfassungsrang genießen, befände sich die FDP doch mit einer derart positiven öffentlichen Wahrnehmung kurz vor der Mehrheitsfähigkeit. Also bitte: erst saufen, dann schreiben.

Zu den weitverbreiteten Irrtümern gehört, dass Kinder grundsätzlich das Liebenswerteste auf dieser Welt sind, wie jeder weiss, der mit dem jungen Volk zusammenlebt. Eine schrille Warnung vor übereilter Elternschaft stellte jedenfalls jener Knabe im Grundschulalter dar, der beim Mexikaner in immer kürzeren Intervallen nicht nur das eigene Vatertier und die Service-Kräfte, sondern praktisch jeden im Lokal mit der Frage drangsalierte, wo denn sein Essen bliebe. Noch ehe Klein-Nervi mich strapazieren konnte, steckte ihm eine ältere Dame am Nebentisch mindestens drei Würfelzuckerstücke auf einmal in den Mund mit den biblisch-klaren Worten: „Nun iss und gut, Bengel!“ Er tat wie ihm geheißen– und auch jene Besserwisser, die sonst immer eine volksgesundheitlich wertvolle Bemerkung über Risiken des Industriezuckers auf dem Pädagogenschnabel haben, sie schwiegen. Manchmal werden Prioritäten eben von allen erkannt!

Mag ja sein, dass der sozialdemokratische Fischhändler Ulrich Nußbaum auch mit Bremerhaven-Bonus nichts taugt als Kandidat für das Wirtschaftsressort: Immerhin reicht seine vorübergehende Bekanntheit für die überfällige Bemerkung, dass man im „Schaufenster Fischereihafen“ gebratenene Meerestiere von unglaublichem Liebreiz und halbwegiger Preiswürdigkeit genießen kann – wie ich als Heavy-User freimütig ohne jeden Naturalrabatt und nur aus Liebe zur LeserIn bekennen möchte.

Darauf, einen „frauenpolitischen Teil mit Jens Böhrnsen vereinbart zu haben“ vertraut angeblich Barbara Wulff vor den mit 14 Motsch- und anderen Männern geführten Koalitionsverhandlungen und das glaube ich einfach nicht – obwohl es in dieser Zeitung stand! Selbst mit Schlitz im Kleid und Federboa geht mir dieser Böhrnsen nicht als Advokatin souveräner HB-Weiblichkeit durch!

Den Herrn Fiskus soll Sechstage-Manager Frank Minder um 1,5 Millionen Mark beschissen haben, und ich wäre der letzte, dieses anzuzweifeln. Zum Glück haben sie ihn nur zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Eine Stadt wie Bremen braucht nämlich dringend ein paar präsentable Windhunde für die Besetzung der Stenzenbank, um was her zu machen. Dann lieber die ewigen Befürworter und Architekten der hiesigen Luftschlösser bei Sekt und Scampi in den Kerker, wo sie keinen weiteren Schaden anrichten können: die Sixdays haben immerhin regelmäßig stattgefunden – und paar Leute kamen auch. Ihr

Ulrich
„Sixdays“ Reineking