Historienspiel: Ohne „Tusk“ kann man gar nicht leben

Die neue Platte von Fleetwood Mac „Say you will“ interessiert mich allerdings überhaupt nicht. Noch nicht. Aber „Tusk“ habe ich mir gekauft. Jetzt. Mit schlechtem Gewissen, natürlich. Auch diesen mitleidigen Blick eines weiteren Kunden bei der Prüfungsphase ignorierend. Zwei Euro als Kaufanreiz war einfach nicht zu widerstehen. Also ein weiterer unnützer Zentimeter fürs Plattenregal. Eine weitere Lücke gefüllt mit diesem Middle-of-the-Road-Monster. Der fiesen Adult-Orientated-Rock-Fratze. „Tusk“, die nichtsnutzige Zweiplattenkatastrophe, die man a) deswegen haben darf, weil doch gerade Camper Van Beethoven ihre „Tusk“-Hommage auf den Markt geworfen haben, was natürlich b) überhaupt kein Grund ist. Das steckt c) tiefer im Morast. Das rührt an ein altes Problem aller Historiker und Archivare. Der Kinderglauben, dass man sich Vergangenheit einfach zukaufen könne. Trifft natürlich Plattensammler besonders hart. Und die armen Umzugshelfer, die beim nächsten Wohnungswechsel mit anpacken müssen (einen halben Zentimeter Fleetwood Mac, den man unbedingt braucht: ihre Bluesemanzipation „Then Play On“). Das Problem ist nur: Die Vergangenheit geht nicht weg. Selbst wenn man sie beim Trödler stehen lässt. Sie wird sogar immer mehr. Damit muss man irgendwie umgehen. Übrigens auch Musiker. Musiker aber haben’s besser, denn die können die Vergangenheit transformieren und sich notfalls mit Travestie die bedrängenden historischen Modelle vom Leibe halten und damit doch allen Respekt zollen. Wie das kürzlich der holländische Klabautertrupp Coolhaven im Ausland zelebrierte. Von der Kirchenmusik weg bis zu HipHop wurden alle Posen durchgespielt. Großes absurdes Theater. Die Residents im Herzen. Köstlich. Ihr Leitmotiv war: „Im Dickicht der Möglichkeiten kann man nur das Beste wählen. Das Beste ist beständig.“ Noch neun Tage übrigens bis zu den Stones. THOMAS MAUCH