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: Sieben tief gekühlte Sünden in den Weiten des Raums

Von aufregenden Abenteuern in schattigen Foyers

Um 19.45 Uhr am Montag sollte man eigentlich den Start der ersten ESA-Mars-Rakete live im Internet verfolgen können, das hatte der mit nach oben gebogenen Mundwinkeln geborene „heute“-Sprecher Steffen Smiley Seibert nassforsch behauptet. In Wirklichkeit konnte man dann doch nur den Sound empfangen, per Live-Stream, die Kommunikation im ESA-Weltraumbahnhof in Baikonur. Gruseligerweise spricht man dort französisch. Ich habe gleich übrig gebliebene Spione vermutet und wollte die Kasachen warnen. Musste daran denken, dass mir mal ein Flugzeugpilot erzählt hat, er habe über Frankreich immer Angst, weil die französischen Tower-Besatzungen beschissenes Englisch sprächen und er darum schon ein paar Mal fast in den Rabatten gelandet sei, so schlecht könne man verstehen, was bei denen als Fliegerenglisch durchgeht. Hoffe also, dass das Französisch aus dem Weltraumbahnhof nicht etwa Englisch hätte sein sollen.

Doch der Start scheint gelungen, und der Mars-Express schunkelt sich nun auf den 56 Millionen Kilometer langen Weg. Weihnachten soll er ankommen, und dann muss er gleich Eis finden. Das ist einer der hehrsten Gründe für eine 300-Millionen-Dollar-Reise, von dem ich je gehört habe. Hoffentlich findet er das von der Erde inzwischen verschwundene „Samoa“, das gab es mal von Schöller, leckeres Pistazieneis mit Schokokern im Waffelhörnchen. Wobei ich jetzt am liebsten einen Schlenker zu den neuen Magnum-Eissorten „Seven Sins“ machen würde, die nach den sieben Todsünden benannt wurden und eine dunkle UND eine weiße Schokoladenschicht haben. Aber ich bin mit dem Mars-Thema noch nicht durch.

Während andere Menschen in diesen spektakulär heißen Zeiten sich und Tofu-Würstchen grillen und sich später wundern, warum sie aussehen wie ein Linolschnitt, ich aber noch wie ein glattes, weißes Büttenpapier (ha!), flüchte ich tagsüber, sooft es geht, nach drinnen. Neulich habe ich mir die Urania-Ausstellung „Der neue Weg ins All – Raumtransporter der neuen Generation“ angeguckt. Außer mir waren zwei alte, einsame Männer da, und wir schlichen beeindruckt um die Text- und Bildtafeln im kühlen Foyer.

Dabei logen die Tafeln teilweise! Wirklich! Wieso soll bitteschön die Rakete „der einzige Weg sein, Mensch und Material in den Weltraum zu transportieren“? Was ist mit Beamen? Guck ich da jeden Freitag auf Sat.1 vielleicht Quatsch? Aber interessant war, dass „horizontal startende Raumtransportersysteme“ (wie die Challenger) auf längere Sicht von normalen Flughäfen aus starten sollen. Eine entzückende Vorstellung, falls der Bau des Berliner Großflughafens auch weiterhin wegen Geldmangel verschoben wird und stattdessen an dem süßen Tempelhofer Anzeigetäfelchen „Köln Mars Brüssel“ stehen könnte. Die neuen Transporter sind außerdem viel umwelt-, also allfreundlicher, weil angeblich nichts im Weltraum zurückbleibt (wenn alles gut geht, poch-poch-poch). Andererseits bleibt doch etwas, denn wenn ich das richtig verstanden habe, geht es darum, große Nutzlasten möglichst preiswert ins All zu schießen. Wobei preiswert natürlich relativ ist. Da muss ich nur an meine reiche Freundin denken, die mir neulich fast eine Armbanduhr aufgeschwatzt hat, von der ich ihr vorgeschwärmt hatte. 250 Euro seien relativ preiswert für eine gute Uhr, und 300 Millionen Dollar sind relativ preiswert für einen unbemannten Flug zum Mars. Ich kann mir weder das eine noch das andere leisten, bleibe aber dran. JENNI ZYLKA