Dem Energieriesen geht die Puste aus

Bei der Jahreshauptversammlung bestätigt RWE-Chef Harry Roels den Trend zu bescheideneren Umsatzsteigerungen

ESSEN taz ■ Der zweitgrößte Enegieversorger Deutschlands ist ins Dümpeln geraten. Vorstandschef Harry Roels legte gestern bei der RWE-Hauptversammlung ein Zahlenwerk vor, das zwischen den Zeilen nur eine mittelmäßige Zukunft erwarten lässt.

„Die Phase externen Wachstums ist abgeschlossen“ sagte der holländische Konzernchef vor den versammelten Aktionären in Essen. Jetzt konzentriere sich RWE auf organisches Wachstum und darauf, die Wertpotenziale aus der gestrafften Konzernorganisation zu heben. Die mittelfristige Zukunft liege im Kerngeschäft bei Strom, Gas und Wasser. Die Umweltsparte wurde verstoßen, wird gesund geschrumpft und voraussichtlich im nächsten Jahr verkauft, weil sie die Konzernzielsetzungen nicht erfüllten. Dass RWE auch nicht weiter in Müllskandale hineingezogen werden wollte, erwähnte Ex-Shell-Manager Roels nicht. Vom Nichtkerngeschäft Bau hatte man sich bereits vor sechs Wochen überraschend schnell getrennt. Innerhalb weniger Stunden wurden 33 Millionen Hochtief-Aktien für 750 Millionen Euro platziert. „Damit haben wir den Kapitalmarkt überrascht“, freute sich Roels.

Die Zuwachsraten beim Umsatz und beim betrieblichen Ergebnis werden dennoch sinken. Ziel sei es, das Ergebnis in den nächsten Jahren um fünf Prozent zu steigern, erklärte der Vorstand den Aktionären. In den letzten vier Jahren waren diese Zahlen noch zweistellig gewesen. Allerdings erwarte das Unternehmen beim Nettoergebnis in 2004 einen zweistelligen Zuwachs, so Roels. Die Aktionäre können sich deshalb freuen. Die Dividende steigt um 14 Prozent auf 1,25 Euro. In Zukunft soll die Ausschüttung jährlich um 15 Prozent steigen. Damit will RWE einer der dividendenstärksten Titel im DAX bleiben.

Ob das tatsächlich realisiert werden kann, ist noch fraglich. Gerade im Kerngeschäft sind im vergangenen Jahr strategische Fehler gemacht worden. So wurde beim Wassergeschäft die Gelsenwasser AG wegen eines schlichten Rechenfehlers bei den Konzernschulden nicht hinzugekauft (taz berichtete). Das könnte sich als folgenschwerer Bumerang erweisen, denn die Kontrolle der heimischen Kommunen über den Gelsenkirchener Wasserkonzern könnte auch Auswirkungen auf das Stromgeschäft in der Zukunft haben. Denn wenn sich die kommunalen Stadtwerke mit Gelsenwasser im Rücken auch noch ins Stromgeschäft wagen, dann könnte das für RWE der Anfang vom Ende sein. PETER ORTMANN