zwischen den rillen
: Hübsch schrammelig im Retro-Rock

Als im Vorjahr das Debutalbum der Kölner Band „Angelika Express“ erschien und die Verkaufszahlen sofort in die Höhe kletterten, konnte man sich nur wundern. Denn Indie-Rock aus Köln war bislang nie sonderlich erfolgreich, schon gar nicht außerhalb der Stadtmauern. Jens Bachmann (Bass), Robert Drakogiannakis (Gitarre; Gesang) und Alex Jezdinsky (Schlagzeug) aber gelang es schnell, im Rampenlicht der Indie-Rock-Fraktion zu stehen. Mit schrammeligem Powerpop, stets eine Idee braver als Punk, erspielten sie sich einen Ruf als schweißtreibende Live-Band, die sich vor allem der Herzen der weiblichen Fans sicher sein konnten.

Jetzt steht bereits ihr zweites Album „Alltag für Alle“ im Laden. Schnell fällt auf, dass sich das Trio musikalisch etwas ausgebreitet hat, zwischen Powerchords und Mitgröhlrefrain auch Platz für sensiblere Töne, hübsche Melodien und musikalische Abwechslung ist. Dass kann aber nicht den Eindruck verdrängen, dass sich vor allem beim Gesang eine etwas ermüdende Gleichförmigkeit des Ausdrucks breit macht. Drakogiannakis prononciert zuweilen wie Rio Reiser, erinnert auch mal – wie die Musik allgemein – an die Ärzte, setzt aber keine eigenen Akzente. Das gilt auch für die Musik: Musikalischer Background ist bei Angelika Express ganz offensichtlich britischer Punk der 70er Jahre. Dabei orientieren sie sich sicherlich an den harmloseren Protagonisten der Szene beziehungsweise klingen oft auch nach dem Vorgängermodell, dem Pubrock.

Ob der genannten historischen Referenzen darf man die Neuerfindung der Rockmusik von Angelika Express also nicht erwarten. Textlich kann man ebenso den Eindruck gewinnen, dass sie nicht im Hier und Jetzt stehen: Die Popikone Nico wird besungen, dem Jahr 1970 hinterhergeweint, wenn auch mit deutlich ironischem Unterton. Etwas weniger nostalgisch geben sie sich, wenn sie keck Rollenzuschreibungen unterwandern und „Gitarren für die Mädchen, Champagner für die Jungs“ („Feierabend of Destruction“) fordern oder Claudia Kaiser von der Band Moulinettes „Ich bring Dich besser um“ singen lassen. Trotz aller Retro-Elemente der Musik: Der Humor der drei ist frisch.

Christian Meyer

Anglika Express: „Alltag für alle“, Paul! , LC 00162