Hochwasserschutz schlägt hohe Wellen

Am linken Rheinufer entsteht ein riesiger Damm gegen „Jahrhunderthochwasser“. Anwohner im Stadtteil Rodenkirchen stören sich vor allem an einem großen Pumpwerk, das am äußersten südlichen Zipfel des Kölner Grüngürtels gebaut werden soll

von Sebastian Sedlmayr

Wilfried Leich legt einen dicken Leitz-Ordner auf den Tisch im 13. Stock des Rodenkirchener Hochhauses am Grüngürtel Nummer 10. „Es ist ein ökologisches Verbrechen“, sagt er düster. „Und zu teuer.“ Der Pensionär spricht von einer Pumpe, genauer: einem 25 mal 40 Meter messenden Pumpwerk, das vor dem Hochhaus im Boden versenkt werden soll. Neben Leich sitzt Leo Haupts und betrachtet die vier Ordner voller Unterlagen über die Planungen der für den Kölner Hochwasserschutz zuständigen Stadtentwässerungsbetriebe (StEB). „Innerhalb von 14 Tagen müssen wir das durcharbeiten und unsere Einsprüche formulieren“, sagt der emeritierte Professor.

Von ihrem Balkon aus können die beiden Rodenkirchener genau sehen, wie die StEB in den nächsten Jahren das linke Rheinufer gegen Hochwasser abdichten wollen. Entlang der Uferstraße soll ein 9,40 Meter hoher Deich aufgeschüttet werden. Mobile Schutz-Elemente sollen im Katastrophenfall die Wassermassen bis zu einem Pegelstand von 11,40 Metern abhalten. Rein statistisch gesehen kommt es derzeit alle hundert Jahre zu einem solchen Hochwasser.

„Indian Summer“, sagt Haupts melancholisch und zeigt ein Foto vom Herbst, wenn die Bäume unter seinem Balkon ihre bunten Blätter tragen. Zwei bis drei Mal pro Jahr läuft der Rhein in das kleine Buchenwäldchen. Hier soll das zentrale Pumpwerk im Kölner Süden in die Erde gelassen werden. Etwa 4.000 Quadratmeter Wald sollen dafür weichen. Der Sinn der Anlage: Das so genannte Qualmwasser, das hinter dem Damm durch den Hochwasserdruck an die Erdoberfläche gepresst wird, soll zurück in den Rhein gepumpt werden. So bleiben die Keller der anliegenden Wohnhäuser trocken – zumindest in Rodenkirchen.

Für Haupts ist das Vorhaben die „endgültige Zerstörung der konstruktiven Idee der Landschaftsgestaltung.“ Schließlich ende der unter Kölns Bürgermeister Konrad Adenauer entworfene Grüngürtel in diesem Buchenwäldchen. Vor allem aber befürchtet er für sich und die restlichen rund 120 Hochhausbewohner jahrelangen Baulärm und -schmutz. „Die Eigentümer sehen einem enormen Wertverlust entgegen“, befürchtet Haupts. „Das Pumpwerk sollte besser an die nahe Kläranlage gesetzt werden“, schlägt er vor. Die Kläranlage steht in etwa 150 Meter Entfernung vom geplanten Pumpwerk-Standort. Außerdem, so meinen Haupts und Leich, sei ein dezentrales Pumpsystem moderner.

Was die Bewohner des Rodenkirchener Uferhochhauses für „nicht erforderlich“, „nicht zeitgemäß“ und „an der falschen Stelle geplant“ halten, ist aus Sicht der Rodenkirchener Bürgerinitiative Hochwasser (BI) „die letzte Chance für Köln, das Hochwasserschutzkonzept auch umzusetzen“. Das sagt der BI-Vorsitzende Erhard Müller. Er stärkt den StEB den Rücken. „Da muss das private Wohl hinter dem Allgemeinwohl anstehen“, fügt er hinzu.

Der Vorsitzende des Kölner Umweltausschusses im Rat, der grüne Harald Jungen, hat eine ähnliche Meinung: „Die Leute wollen überhaupt nichts auf sich nehmen“, schimpft er. Jungen hält nichts von dem Vorschlag der Anwohner, das Pumpwerk neben die nahe gelegene Kläranlage zu bauen. „Wir können uns mit 400 Millionen Defizit im Verwaltungshaushalt keine andere Lösung leisten.“

Das sieht Anwohner Leich wiederum ganz anders: „Statt 12,5 Millionen Euro für ein zentrales Pumpwerk mit acht Jahren Bauzeit würden dezentrale Pumpen mit nur sechs Jahren Bauzeit lediglich 7,7 Millionen Euro kosten.“ In seinem ordnerschweren Einspruch hat er diese Zahlen festgehalten. Der mit dem Pumpwerk befasste Abteilungsleiter Planung und Bau der StEB, Henning Werk, hält die Rechnung der Anwohner hingegen für „schlicht falsch“. Sie gingen nicht von der nötigen Betriebssicherheit aus, die beim dezentralen System nur mit der doppelten Anzahl von kleinen Pumpen zu gewährleisten sei – und damit teurer werde als ein zentrales Pumpwerk.

Bis zum 28. April haben die Anwohner Zeit, ihre Beschwerden zu artikulieren, Ende Mai wird es noch einen Erörterungstermin geben. Vor dem Herbst, so hofft man bei den StEB, wird mit dem Bau begonnen. Doch den Anwohnern bleibt, sollten ihre Einwände von der Bezirksregierung zurückgewiesen werden, noch der lange Klageweg.