Jukebox

Die ganze Welt unter einem happy Groove

Der Rock ist ein (alter Witz) Gebrauchswert. Der gerade seinen Geburtstag feiert: Am 12. April 1954 kam die Single „Rock around the clock“ von Bill Haley in die Läden, und weil man für alle Heilslegenden einen Gründungsmythos braucht, hat man sich eben auf dieses Datum geeinigt, an dem der Rock in die Welt gekommen sein soll. Heute ein rüstiger Rentner, meinen die einen, andere wollen nurmehr sein leichenblasses Gesicht sehen. Ansichtssachen. Um dem Rentner/Leichenhemd aber auf die Schliche zu kommen, lohnt sich ein Umweg über die Peripherie, wo der Rock nie wirklich in die Gänge kam. Im Osten. Einst. Was seine Gründe hat. Repression, in jeder Band ein Spitzel, diese Sachen. Im Wesentlichen jedoch geht es darum, dass im Sozialismus das Konzept des Neuen als Wert an sich nicht vorgesehen war. Man durfte Pläne übererfüllen, man sollte immer besser werden (weswegen sozialistische Rockproduktion oft so streberhaft klang). Dass aber eine Platte allein deswegen schon plausibler als die davor sein sollte, nur weil sie eben die neue war, ging gegen alle Logik. Genau so aber funktioniert Väterchen Rock. Der Rock ’n’ Roll (One for the money) ist das Herz der Finsternis. Er ist die Seele des Kapitalismus. Ohne ihn kann er gar nicht. Weswegen auch immer sein Tod erklärt werden muss, um ihn als wiedererstanden neu verkaufen zu können. Was für die drei, vier Akkorde eine verblüffende Leistung ist.

Das allerdings lässt dann betreffs der Auswertung einen James Last als vorbildhaften Rock ’n’ Roll dastehen. Allein in Deutschland setzte der Mann über 80 Millionen Einheiten seines Happy Sounds ab, am morgigen Samstag feiert er seinen 75. Geburtstag. Glückwunsch. Weil James Last aber das Immerneu mit dem immergleichen Produkt bestückte, hat man ihn auch im Osten gern gehört. Hier wie dort eine Sehnsuchtsfigur des ewigen Bestands. Als ob man gar nie mehr sterben müsste. Hail, hail, Rock ’n’ Roll. THOMAS MAUCH