Schöne Worte zum Wechsel in Spanien

In seiner Regierungserklärung verspricht der neue sozialistische Premier eine radikale Wende in der Außenpolitik

MADRID taz ■ Jetzt ist es offiziell: Die spanischen Truppen werden aus dem Irak abgezogen, wenn die UNO nicht bis zum 30. Juni die Verantwortung in dem Land übernimmt. Das erklärte Spaniens neuer Premierminister José Luis Rodríguez Zapatero gestern vor dem spanischen Parlament, als er sein Regierungsprogramm vorstellte. „Der Irak ist immer weiter von Frieden und Stabilität entfernt“, sagte der 43-jährige Sozialist und warnte davor, den Truppenrückzug „ falsch zu interpretieren“. Er erläuterte: „Spanien wird seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen“ und beim Wiederaufbau des Iraks mithelfen, „doch nicht ohne oder gegen die Iraker“.

Der Irakkrieg und die Außenpolitik waren Schwerpunkte der 65-minütigen Antrittsrede des Sozialisten. Nach seinem überraschenden Sieg bei den Parlamentswahlen am 14. März will Zapatero eine außenpolitische Kehrtwende um 180 Grad. Statt auf bedingungslosen Gehorsam gegenüber den USA, durch den sich sein konservativer Vorgänger José María Aznar auszeichnete, setzt Zapatero auf eine Außenpolitik, die wieder mehr Europa, Lateinamerika und den Mittelmeerraum im Blickfeld hat. Der Truppenabzug aus dem Irak ist nur ein Schritt in Richtung einer neuen spanischen Außenpolitik. Zapatero will außerdem dafür sorgen, dass „die europäische Verfassung noch unter irischer Präsidentschaft verabschiedet und in Madrid im Gedenken an die Opfer des Terrorismus unterzeichnet werden kann“. Aznar hatte die Verabschiedung des vorliegenden Verfassungsentwurfes noch zusammen mit Polen blockiert.

Zapatero gedachte „der 191, die unter uns sein müssten“ – der Opfer der Anschläge auf Pendlerzüge in Madrid am 11. März. Die neue Regierung will daher aus dem Kampf gegen den Terrorismus ein Hauptanliegen machen. „Zu diesem Zweck werde ich alle im Parlament vertretenen Parteien zusammenrufen, um Informationen auszutauschen und Strategien auszuarbeiten“, versprach er. Diese Sitzung soll mindestens einmal im Jahr wiederholt werden.

„Ruhigen Wechsel und Dialog“ – „eine Regierung, durch die sich niemand ausgeschlossen fühlt“ – „eine Regierung, die zuhört und Kritik akzeptiert, egal wie heftig sie ist“ – so lauteten die Versprechungen des Sozialisten, der die „Demokratie wieder beleben“ möchte. Die staatliche Nachrichtenagentur EFE und das staatliche Radio und Fernsehen RTVE sollen unabhängiger werden. In der Vergangenheit hatte sich sowohl der Konservative Aznar als auch der Sozialist Felipe González der Medien bedient, um unliebsame Nachrichten totzuschweigen und die eigene Politik schönzureden.

Nach den Gegenreden aller Parteien werden die Volksvertreter heute über die neue Regierung abstimmen. Zapatero, der mit einer Minderheitsregierung antritt, kann mit den Stimmen des kommunistischen Wahlbündnisses und den meisten Linksnationalisten aus den verschiedenen Regionen rechnen. Nur die katalanische ERC schwankte noch zwischen Zustimmung und Enthaltung. Sollten die ERC-Abgeordneten mit Ja stimmen, wird Zapatero die absolute Mehrheit der Abgeordneten auf sich vereinigen und somit in erster Abstimmung neuer Regierungschef. Im anderen Fall wird eine zweite Abstimmung nötig, bei der Zapatero die einfache Mehrheit reicht.

In Zapateros Kabinett geht erstmals in der Geschichte Spaniens – und wohl auch Europas – die Hälfte der Ministerposten an Frauen. Selbst einer seiner Stellvertreter ist eine Stellvertreterin. Zapatero verstand es, ein Gleichgewicht aus neuen Gesichtern und altgedienten Sozialisten zu schaffen. Seine Umweltministerin Cristina Narbona gehörte ebenso wie sein Wirtschaftsminister Pedro Solbes bereits der Regierung von Felipe Gonzalez (1982–1996) an. Andere Minister haben sich in den Regionen ihre Sporen verdient und übernehmen erstmals spanienweite Verantwortung. REINER WANDLER