Gernot Knödler über die Eröffnung des Baltic Centre

Lehrstück der Stadtplanung

Nord-Präsident Ole von Beust (74) hat zurzeit alle Hände voll zu tun: Gestern erst der Transrapid (Bericht unten), heute eröffnet er das Baltic Centre an den Hamburger Elbbrücken – es ist ein klassisches Lehrstück der Stadtplanungsgeschichte. Der Senat hatte das Projekt einer Innenstadterweiterung auf ehemalige Hafenflächen von vornherein auf eine Entwicklungszeit von 20 bis 30 Jahren angelegt. Eine weise Entscheidung, wie sich angesichts des Auf und Ab des Immobilienmarktes sowie des politischen und ökologischen Wandels zeigen sollte. Sosehr manche Veränderungen den Planern in die Quere kamen, so sehr haben andere das Projekt gerettet.

Das 350 Millionen Euro teure Baltic Centre, verkehrsgünstig an einer neu eingerichteten S-Bahn-Station und direkt an der Autobahn gelegen, ist das Gegenstück zum China Trade Center am Magdeburger Hafen. Beide sind Ausdruck einer erfolgreichen Ansiedlungspolitik, die von der Dynamik dieser beiden Wachstumsregionen profitierte. Mit zwei niedrigen hohlen „Türmen“ und einem Querbau das Stadtwappen nachbildend, wirkt der zentrale Bau architektonisch atavistisch und deplatziert. Er degradiert die Veddel zum Vorfeld und kann als Metapher der Terrorangst gelesen werden, die himmelstürmende Bauten nicht mehr angeraten scheinen lässt.

Das Volumen des Handels zwischen dem Baltikum und der Nord-Region ist in den vergangenen zehn Jahren jährlich um acht Prozent gewachsen. Konzerne wie der polnische Cyberski-Media, die estnische Life-Tec-Schmiede Bioartefact und ihre finnische Konkurrentin Borealis sehen im prominent platzierten Baltic Center die Chance, ihr gewachsenes Selbstbewusstsein zu demonstrieren. „Hamburg hat früh das Potenzial der baltischen Länder erkannt und viel zur Entwicklung der Ostseeregion beigetragen“, lobte Agneta Gwisildis, Vorstandsvorsitzende von Bioartefact . „Mit unserem Investment setzen wir auf eines der interessantesten Wachstumszentren Westeuropas“, erklärte sie.

Zunächst hatte es gar nicht so ausgesehen, als stünde das Projekt Hafen-City unter einem günstigen Stern. Die erste Bauphase fiel in die Zeit der deutschen Malaise im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts. Der Markt für Büroimmobilien lag danieder, der Umbau der Sozialsysteme, eine stagnierende Wirtschaft, die Angst vor einer alternden Bevölkerung trübten die Stimmung.

Während es im Wohnungsbau leidlich voranging, scheiterte der erste Versuch, ein zentrales Areal, größer als der sprichwörtliche Potsdamer Platz, aus einem Guss von einem Investorenkonsortium bebauen zu lassen. Jahrelang strichen der Wind und die am Kreuzfahr-Terminal landenden Touristen um schlecht kaschierte Bauruinen, bis schließlich der China-Boom das Problem löste.

„Glück und Verstand haben die Kais des Magdeburger Hafens zu der Flaniermeile gemacht, die wir uns immer erträumt haben“, sagt von Beust. Denn die Chinesen haben sich beim Bau der „World of Asia“ engagiert – einer Mischung aus kulturhistorischem Museum und Seefahrer-Erlebniswelt, die die Mentalität Ostasiens vermitteln soll, aber auch den Stolz von Kulturen, die die europäische Moderne längst mit vielfältigen eigenen Beiträgen fortentwickelt haben.