Alter - und der Fun daran

„Rentnersex unter freiem Himmel“, titelt die selbst ernannte Jugendpostille „Neon-Reloaded“ in ihrer neuen Ausgabe. Was folgt, ist eine ebenso pubertäre wie überflüssige Nahaufnahme aus dem Weinbergspark in Berlin-Mitte. Dass sich Senioren unterschiedlicher sexueller Orientierung ihr Recht auf Lust inzwischen auch in der Öffentlichkeit nehmen, gehört seit langem zum Diskursfeld des Aging-Mainstreaming. In der Berliner Jugendszene dagegen scheint das Zugeknöpftsein wieder fröhliche Urständ zu feiern.

Recht eigentlich geht es in der nun wieder aufgeflackerten Kontroverse aber nicht um wilden Rentnersex und schal gewordene Jugendliche, sondern um einen noch immer nicht verarbeiteten Bedeutungsverlust. Waren die unter 30-Jährigen um die Jahrtausendwende noch der „Turning Point“ der Werbe- und Unterhaltungsindustrie, ist es inzwischen die „Generation Senior“, die die kulturelle Lufthoheit erkämpft hat. Keine Vorabendserie ohne Rentnerdramen, kein Bauvorhaben ohne Prüfung auf Barrierefreiheit, keine Talkshow ohne ein Plädoyer für ein Recht auf Seniorensünden. Aging-Mainstreaming, schreibt „Neon-Reloaded“, sei die Geißel unserer Gesellschaft. Falsch. In Wirklichkeit ist es deren wirtschaftliche Lebensversicherung. Uwe Rada