Grundrente bis zum Lebensende

betr.: „Heimkinder sollen entschädigt werden“, taz vom 21. 12. 08

Die Forderung der Landesbischöfin Käßmann und Niedersachsens Sozialministerin Ross-Luttmann sind kein Grund zum Jubeln, weil sie viel zu spät kommen und längst noch nicht in die Tat umgesetzt sind. Nach dem Buch von Wensierski bis heute sind viele der etwa 500.000 Opfer erneut zum Opfer, nämlich der natürlichen Auslese, geworden. Sie haben weder eine aufrichtige Entschuldigung noch eine materielle Entschädigung für ihr oft verpfuschtes Leben erhalten. Viele hätten gewiss eine andere Gesundheit, einen anderen Beruf, ein anderes soziales Umfeld erlebt, wenn sie nicht Opfer von Verbrechen in Heimen geworden wären. Mir scheint seit langem, dass solche Zeitstreckungen beabsichtigt sind, um die Folgekosten so gering wie möglich zu halten.

Die Meinung, auf keinen Fall pauschal zu entschädigen, ist kurzsichtig herausposaunt. Bei individueller Entschädigung muss jedes Opfer erneut die Hose fallen lassen und alles noch einmal vortragen, was es noch heute beschämt und jahrzehntelang sprachlos gemacht hat. Völlig aus dem Raster fallen all jene Opfer, die sich nicht artikulieren können, nicht Redegewandte, geistig Behinderte, sprachlich Behinderte oder Stumme und solche, die heute noch so sehr leiden, dass sie Tage oder Wochen bräuchten, um ihr Erlebtes auszusprechen. Auf der HP gewalt-im-jhh.de dokumentieren wir die Aufarbeitung gerade solcher Fälle und erleben, welche Qualen es für diese Opfergruppe bedeutet, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die Lösung kann also nur zwischen pauschaler und individueller Entschädigung liegen. Nach meiner Meinung müssten alle Opfer eine Grundrente bis zu ihrem Lebensende erhalten. Darüber hinaus müssen zusätzliche individuelle Hilfen, psychologisch, therapeutisch, sozial und alltagbegleitend, und zusätzlich finanzielle gewährt werden. Eine Gesellschaft, die wenigstens 500 Milliarden Euro für Börsenspekulanten und stümperhafte Banker rausschmeißt, wird diese andere kleine Last aus der Portokasse schultern. HELMUT JACOB, Wetter