Heike Holdinghausen über Einkaufen nach der BIU

Kaufhemmnis Strichcode

„Hier sind Sie Mensch“ – mit dieser Kampagne wirbt die Handelskette Makro für ihr neues Servicemodell. Sie wird in ihren Märkten künftig Berater beschäftigen. Kunden verlangten neben den herkömmlichen, elektronischen Informationen eben auch Orientierung und Ansprache, sagte Geschäftsführerin Jennifer Kramer der taz. Die BIU, die Body Information Unit, sei für den Einkauf natürlich nach wie vor unerlässlich, so Kramer. Inhalte, Heil- und Nebenwirkungen der Lebensmittel könnten dem Käufer nun einmal nur mittels Datenlesegerät offenbart werden. Auch den persönlichen Nährstoff- und Medikamentenbedarf könne nur eine BIU errechnen. Das neue Personal stelle aber eine wichtige Ergänzung zu den Kleincomputern dar, sagt Kramer.

Nelja Udzinskiy vom Verbraucherverband Foodwatch erklärt die Schwächen der BIU: „Oft ist der Kunde mit der Vielzahl von Informationen überfordert.“ Als Beispiel nennt sie die Joghurtserie Minimilk des Nahrungsmittelriesen Arona. Kunden würden einfach das gesamte Kühlregal meiden, sobald ihre BIU nur vom Kauf der Blutdruck senkenden Joghurtvariante abrät. Für den Tipp könne es verschiedene Gründe geben: Die BIU hat bei der morgendlichen Routinemessung über den Daumendruck einen schwachen Kreislauf festgestellt, der Joghurt enthält individuell unverträgliche Enzyme oder lässt sich nicht mit einem schon gekauften Produkt kombinieren. Deshalb müsse eben noch lange nicht auf alle Joghurts verzichtet werden, sagt Udzinskiy. „Da hemmt der Strichcode den Konsum.“ Studien und Befragungen der Makro-Gruppe zum Einkaufsverhalten belegten dies. Gebe es in einem Markt aber einen Ansprechpartner, der individuelle Alternativen anbiete, steige der Umsatz, so Udzinskiy.

Sie sieht den Schwenk Makros bei der Kundenbetreuung durchaus zwiespältig. Zwar sei es positiv zu bewerten, dass die Lebensmittelkette für das Wohlbefinden ihrer Kunden beim Einkauf Sorge tragen wolle. Verkaufspersonal erfülle schließlich auch eine soziale Funktion – man könne etwa mit ihm plaudern. Die Konsumenten sollten aber beachten, dass die BIUs über Wirkungen und Nebenwirkungen von Nahrung sehr präzise und zuverlässig informierten. „Wenn sie von einem gewichtsreduzierenden Schokoriegel abraten“, so die Verbraucherschützerin, „sollte dieser auch nicht gekauft werden.“ Zudem müsse darauf geachtet werden, dass das Personal umfassend ausgebildet werde.

Marktchefin Jennifer Kramer hält das für selbstverständlich. „Sie können sich die Mitarbeiter so vorstellen, wie sie früher in Apotheken eingesetzt wurden“, erklärt sie. Vor dem Siegeszug des Internetmedikamentenhandels waren Arzneimittel in eigenen Verkaufsstellen angeboten worden. Damals hatte es eine persönliche Beratung über verschiedene Medikamente mit der gleichen Wirkung sowie über das Wechselspiel verschiedener Mittel gegeben. „Damals war es doch genauso“, sagt Kramer, „Medikamente hatten einen Beipackzettel, und die Apotheker haben sie erklärt.“ In solchem Wechselspiel sehe sie heute das Informationsangebot der BIUs und des Personals.

Makro wolle niemanden zum Kauf überreden, beruhigt Kramer. Menschen könnten aber flexibler beraten als Computer. Dabei geht es gar nicht unbedingt um Functional Food, über das die BIU in der Tat kompetenter Auskunft geben könne. Kunden seien aber oftmals gerade mit Natural Food überfordert. „Wer weiß schon genau, welche Enzyme eine Ananas enthält oder welches Fleisch sich am besten mit welchen Functional-Saucen kombinieren lässt“, so Kramer.

Und Menschen können noch mehr – zum Beispiel wenn es um den Speiseplan fürs Wochenende geht: Wird in die BIU für Sonntag die Tätigkeit „Leistungssport“ oder „schwere Gartenarbeit“ eingegeben, wird sie einen erhöhten Energiebedarf errechnen und den Kauf energiereicher Nudeln oder Fleischgerichte empfehlen. Von alkoholischen Getränken wird sie abraten. „Ein Berater kann hier vermitteln und Alternativen aufzeigen“, so Kramer, „gegen ein promillereduziertes Bierchen ist doch nach der Schufterei nichts zu sagen.“ So sei dem Kunden gedient, der beruhigt genießen könne, und dem Unternehmen, das seinen Umsatz steigere.

Die Mitarbeiter sollen zunächst qualifiziert und dann testweise in Märkten von Makro Ost eingesetzt werden. Die Probephase läuft bis Ende des Jahres; verläuft sie erfolgreich, wird weiteres Personal eingestellt.