Rock in Frührente

Lebe schnell, stirb jung – niemand könnte den Geburtstag des Rock ’n’ Roll besser feiern als Thomas Gottschalk: „50 Jahre Rock!“ (20.15 Uhr, ZDF)

VON ARNO FRANK

Was versteht ein Thomas Gottschalk von Musik? „Wenn meine Kinder Musik machen“, bekannte der Moderator vor drei Jahren, „gibt’s für mich nichts mehr zu lachen. Ich höre aus dem Kinderzimmer HipHop, Rap und Techno hämmern. So lange, dass mir nach ’n paar Minuten die Ohren und die Nase bluten. Sag mal, ist der Kerl plemplem? Nein, Papa: das ist Eminem.“

Was sich wie ein Interview liest, sind Auszüge aus Gottschalks „Hit“ namens „What happened to Rock ’n’ Roll“, bezeichnenderweise mit einer Band namens „Die besorgten Väter“ eingespielt. Weil am 12. April 1954 Bill Haley & The Comets das Stück „Rock Around The Clock“ veröffentlichten, blüht uns dieser Woche allenthalben das große Abfeiern des Jubiläums. Die große Geburtstagsparty steigt am Samstag auf dem „Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll“-Sender ZDF. Moderiert nicht von drögen Langeweilern wie Udo Lindenberg oder Martin Semmelrogge, sondern von einem besorgten Vater: Thomas Gottschalk, von dem jüngst kolportiert wurde, er würde seinen Wohnsitz im kalifornischen Malibu demnächst gegen ein neogotisches Schloss bei Zürich eintauschen. Der Mann ist also die ideale Besetzung.

Auch seine musikalische Gästeliste liest sich, als wäre sie aus der Vinyl-Grabbelkiste auf dem Flohmarkt abgeschrieben: Peter Kraus, Eric Burdon, Bobby Kimball von Toto, Status Quo und Shakin’ Stevens. Michail Gorbatschow kommt auch und muss sich zur Strafe einmal mehr dem fauligen Gestank aussetzen, den Scorpions’ „Wind Of Change“ von der Müllhalde der Geschichte herüberträgt.

Sage also niemand, Gottschalk ’n’ ZDF würden dem Anlass nicht gerecht. Beide sind sie mit ihren rund 50 Jahren so alt wie der Rock ’n’ Roll selbst, beide sind sie mit ihm sichtlich gealtert und – alt geworden. Je mondäner ein solcher Geist, desto größter sein Bedürfnis nach einer Harley in der beheizten Garage, nach „Sticky Fingers“ im Plattenschrank und langen, notfalls blondierten und angeklebten Haaren: Rock ist längst zum Ausweis ewiger Jugend regrediert, ohne Verfallsdatum und eingelagert selbst in die bürgerlichsten Existenzen.

Als kultureller Audruck seiner Epoche dürfte der Rock für das vergangene, amerikanische Jahrhundert einmal eine ebenso emblematische Geltung beanspruchen wie für das 17. Jahrhundert der Barock. Und deshalb kann, wer will, am Samstagabend im Fernsehen seiner medialen Musealisierung beiwohnen. Anstatt – in Gottes, nicht in Gottschalks Namen –, einfach rauszugehen und zu rocken.