Überseestadt kann losgehen

Abschied von den Stadtplanungs-Sünden der 90er Jahre: Der Masterplan für die Überseestadt sieht sogar „Wohnen“ an der Sonnenseite des Europahafens vor. 300 Hektar für eine neue Innenstadt

taz ■ 300 Hektar Stadtentwicklungsfläche, wenige Minuten zu Fuß vom Dom entfernt – das könnte bald Realität werden. Während der 90er Jahre haben Häfen- und Wirtschaftssenatoren die Erschließung dieser alten Hafenreviere, die Walle und Gröpelingen von der Weser trennen, blockiert und Stadtentwicklung auf der grünen Wiese betrieben. Wenn nun im Zentrum der Stadt Jahr für Jahr Dutzende von Hektar entwickelt werden können, dann werden die Büro-Vorstädte am Flughafen und am Hollerland mit ihrer urbanen Trostlosigkeit zu Stadtrand-Phänomenen.

Ein letzter Akt der alten Stadtplanung war die Zerstörung des Überseehafenbeckens und der Bau des Großmarktes mitten auf dem aufgeschütteten Sand. Vor der langen historischen Fassade des „Speicher 11“, der bald die Hochschule für Künste aufnehmen wird, sind zwei Bahngleise für den Großmarkt gelegt verlegt worden, dahinter die billige Industriefassade – eine provokative Demonstration des alten Denkens vor der Tür des Neuen. Aber auf dem riesigen Gelände ist genügend Platz für das Neue. Vor der Architektenkammer wurde gestern von Architekt Rainer Schürmann der „Masterplan“ für das neue Gelände vorgestellt. Solche Pläne sind nicht verbindlich, sie sollen nur eine Idee für mögliche Investoren darstellen.

Für Detlef Kniemeyer, den alte Chef des Planungsamtes, der nun als Geschäftsführer der „Überseestadt-GmbH“ dabei ist, sind die Kunststudenten nur eineder guten Nachrichten, die sich in den letzten drei Jahren ergeben haben. Bis 2005 soll die Faulenstraße wieder mit Straßenbahn mitten in das Europahafengebiet hineingeführt werden, eine stadtplanerische Sünde aus den 60er Jahren wird damit korrigiert. Die Firma Dittmeyer „ist weg“, formulierte Kniemeyer, damit ist ein Gemeinheit des früheren Häfensenators Uwe Beckmeyer (SPD) gegen die alten Hafenreviere korrigierbar: „Irgendwann kommt der Schuppen da auch weg“, an der „Sonnenseite“ des Europahafenbeckens sollen Wohnungen entstehen „und dann wird eine Fußgängerbrücke in den verwunschenen Garten führen“, schwärmt Architekt Schürmann. Auf der Lanzunge zwischen Europahafen und Weser finden derzeit Angler und Camper eine grüne Idylle. Als der Bremer Stadtentwicklungssenator Ralf Fücks vor zehn Jahren über Wohnungen auf dieser Landzung redete, verkaufte Beckmeyer schnell das Schlüsselgrundstück am Europahafenkopf an Eduscho. Auch das ist Geschichte: Eduscho ist von Tchibo übernomen, das – erklärte Kniemeyer - „schafft neue Möglichkeiten“ im vorderen Bereich des Geländes, das heute von der furchbaren Kulisse des Hochlagers dominiert wird.

Rotterdam könnte für die Bremer Perspektiven in diesem Bereich Vorbild sein, schwärmt Masterplaner Schürmann und zeigt ein Foto von einer Hochhaus-Glas-Fassade, das gefährlich windschief die Blicke auf sich zieht. Klaus Wolschner