Damals in Dresden

Hommage und Widerstand: Die Städtische Galerie Bremen zeigt Fotografien des Künstlerpaares Christine Prinz und Claus Haensel

Haensels Bilder zeigen, wie sich Künstler in der DDR der staatlichen Doktrin entzogen

Nackte Frau am Strand: Wie eine Erscheinung steht sie da, weit weg, gehüllt in einen Dunstschleier. Der Boden flimmert, als wär’s die Wüste, deutlich zu sehen nur ein paar Steine im Vordergrund des Fotos. Könnte überall sein, wo es Weite, die Farben Schwarz und Weiß und Steine gibt. Aber der Ort ist auch egal, wichtig ist, dass dieses Bild aus einem Fotoapparat kommt: Der Bremer Fotograf Claus Haensel will mit dem Bild eine Realität zeigen, die nur Linse und Fotopapier generieren können, nicht aber das menschliche Auge.

„Unschärfe 1-12“ steht im Titel des Bildes, eines von vielen einer ganzen Serie mit Bildtiteln wie „Laufsequenz“, „Treppensequenz“ oder „Verwischung“. Die fotografischen Kniffe ändern sich, nur die Frau auf den Bildern bleibt immer dieselbe: Haensel fotografiert Christine Prinz, ihrerseits eine Künstlerin. Prinz ist Haensels einziges Motiv. Ein Grund dafür könnte sein, dass die beiden verheiratet sind.

Seit Samstag stellt das Künstlerpaar in der Städtischen Galerie unter dem Titel „Solitaire & Solidaire“ aus, und anders als beispielsweise bei dem Leipziger Künstlerpaar Annette und Erasmus Schröter gibt es nicht nur ein gemeinsam produziertes Gemeinschaftswerk: Haensels figürlicher Fotografie stehen Prinz’ Selbstinszenierungs-Serien „Auf der Suche nach Ingres“ und „Auf der Suche nach van Delft“ gegenüber. Prinz hat sich dabei von Ingres’ und van Delfts Werken inspirieren lassen und formuliert Details dieser Arbeiten neu: Ingres Interesse an schönen Rücken führt bei Prinz zu rückseitigen Selbstporträts mit Träger-Shirt und Badetuch um den Kopf. Bei den fotografischen Nachstellungen der Magdalena von Georges de La Tour (1593-1652) arbeitete das Künstlerpaar wieder zusammen mit dem Ziel, die Atmosphäre der Helldunkel-Malerei im Medium der Fotografie herzustellen.

Mit welchem Gewinn das geschieht, bleibt allerdings unklar: Der Medienwechsel mag mal besser, mal schlechter funktionieren, mehr als eine Hommage an die Originale ergibt sich daraus nicht. Und das wirkt eingenartig uneigenständig – als hätte sich die Fotografie nie von der Malerei emanzipiert, als gäbe es nichts eigenes, nichts gegenwärtiges, was sich fotografisch fassen ließe.

Ähnlich anachronistisch wirken Haensels fototechnische Erkundungen, nur dass diese Bilder interessant werden vor dem Hintergrund ihrer Entstehungsgeschichte. Die Fotos stammen aus den Jahren 1970 bis in die 80er Jahre, Haensel und Prinz lebten damals noch in der DDR, die sie 1984 verließen – Haensels abstrakte Arbeiten führten zu Problemen mit der Staatssicherheit, die von den Künstlern des Landes sozialistischen Realismus erwartete. Haensels Bilder sind ein Beispiel dafür, wie sich Künstler in der DDR der staatlichen Doktrin entzogen. Das macht die Arbeiten zum aussagekräftigen Dokument, obwohl sie gerade keine Dokumentarfotografie sein wollen.

Neben den fotografischen Werken zeigen Prinz und Haensel einen Film, den die beiden 1980 im Künstlerhaus Dresden gedreht hatten – Material, das sie erst kürzlich geschnitten haben. In dem Acht-Minüter bewegen sich zu melancholischem Jazz drei Frauen durch eine leere Wohnung: Eine ist nackt, eine schwarzgewandet und die dritte ist eine Schaufensterpuppe. Zu entschlüsseln gibt es nichts – aber eine Atmosphäre gibt es, die weit aussagekräftiger ist als die Neuauflage der Magdalena aus dem 17. Jahrhundert. kli

bis 9. Mai in der Städtischen Galerie