Der Feuerwehrmann auf der Wanderdüne

Berlinsport in der Krise 2: FC Union unterliegt Spitzenreiter Nürnberg mit 3:5 und strebt trotz neuen Trainers als Tabellenvorletzter Richtung Abstieg

VON JÜRGEN SCHULZ

Was taugt ein Feuerwehrmann ohne Schlauch? Immer mehr Fans des 1. FC Union stellen sich diese brennende Frage. Obwohl Aleksandar Ristic, ein ausgewiesener „Feuerwehrmann“ mit dem Ruf eines Instant-Retters, Ende März den glücklosen Trai ner Mirko Votava abgelöst hat, wird die Lage im Abstiegskampf von Woche zu Woche aussichtsloser. „Wir können es noch schaffen“, schwört Ristic die resignierenden Köpenicker auf die „Mission impossible“ ein.

Dabei wurde „König Aleks“ geholt, um Union nur mit seinem guten Ruf aus dem Tabellenkeller zu katapultieren. Stattdessen setzte es vier Niederlagen in Folge. Zwar gab es viel Lob für Unions couragierte Auftritte in Bielefeld (1:2) und Aachen (2:4) – aber keine Punkte. Gestern gegen Spitzenreiter Nürnberg ging es bereits „um alles oder nichts“. Das Spiel endete 3:5.

Zwar gelang es den Berlinern, in einer dramatischen Partie zwischenzeitlich den 1:3-Pausenrückstand noch auszugleichen. In der 79. Minute hatte Dian Popow sogar die Möglichkeit zur Führung. Doch in den letzten zehn Minuten schlug der Club mit zwei weiteren Treffern zurück und festigte seine Position an der Spitze der Zweiten Liga. Für Union bleibt mal wieder nichts – beziehungsweise der vorletzte Tabellenplatz.

„Vielleicht“, sinniert Ristic, „wäre es besser gewesen, wenn ich früher gekommen wäre.“ Ihm schwant, dass sich selbst ein Red Adaire an der Aufgabe in Köpenick die Finger verbrennen würde. „Ich kann nicht in wenigen Wochen schaffen, wofür andere über ein Jahr Zeit hatten“, begründet der 59-Jährige sein absehbares Scheitern.

Lange Zeit hielt man bei Union am Dogma seines Vorgängers Votava fest, der postulierte: „Die Mannschaft hat genügend Potenzial für den Klassenerhalt.“ Noch an seinem letzten Arbeitstag verkündete der nun Beurlaubte: „Ich hinterlasse eine intakte Mannschaft“. Eine seiner vielen Fehleinschätzungen.

Schon nach seiner verpatzten Heimpremiere gegen Trier wunderte sich Ristic über seine Spieler: „Ich habe noch nie einer Mannschaft erklären müssen, dass man kämpfen muss. Vielleicht sollte ich das mal tun.“ Auch die K-Frage (hat die Mannschaft genügend Kraft?) liegt dem Bosnier schwer im Magen: „Ich kann in der jetzigen Phase keine Kondition mehr trainieren, damit würde ich die Mannschaft kaputtmachen.“

Dass einige Spieler über die Antrittsschnelligkeit einer Wanderdüne verfügen, hat der Coach zur Kenntnis genommen. „Ich habe im Training Sprintübungen gemacht“, erzählt Ristic und fügt mit einem Seitenhieb auf Votava hinzu: „Mal sehen, wie die Muskulatur der Spieler auf diese ungewohnte Belastung reagiert.“

Im tristen Arbeitsalltag ist der amtierende Rettungsanker dazu übergegangen, im VIP-Zelt am Stadion Weiterbildungsseminare für seine Profis abzuhalten. „Ich will, dass die Mannschaft mehr Fußball spielt“, verkündet Ristic. Vorher fühlten sich viele Zuschauer oft wie im Gruselkabinett. „Unsere Spieler nutzen mal wieder die gesamte Höhe des Spielfeldes“, mokierte sich die Zynikerfraktion, wenn ihre Rot-Weißen wieder mal sinnentleerte Angriffszüge aufführten.

Inzwischen scheint Ristic einem „Notopfer Union“ nicht mehr abgeneigt. „König Aleks“ spürt, dass ihm ein Zacken aus der Krone fallen dürfte, falls er Berlin nach dem Abstieg unverrichteter Dinge Adieu sagen würde. „Diese Situation wäre auch schlecht für mich“, gesteht er. Deshalb erklärt sich Ristic bereit, den bitteren Gang in die Regionalliga notfalls mitzugehen. Dies hatte er bei seinem Antritt im März noch ausgeschlossen. Aber ohne Erfolg sitzt ein Feuerwehrmann auf dem Trockenen.